Zuerst aushungern, dann schiessen? Weit hinten ist eine aserbaidschanische Stellung zu erkennen. Sie wurde auf armenischem Boden errichtet. Bild: csi-schweiz.ch

Hintergrundbericht

Berg-Karabach in Not: Kundgebung «Kein Völkermord mehr an den Armeniern»

«Aserbaidschans Blockade des Latschin-Korridors lässt die in Berg-Karabach lebende armenische Bevölkerung verhungern», warnt die Gesellschaft Schweiz-Armenien (GSA) mit deutlichen Worten. Damit ein Völkermord verhindert werden könne, müsse sich die Schweiz – insbesondere im UNO-Sicherheitsrat – viel stärker engagieren. Mit einer Kundgebung, die am 23. September in Bern stattfindet, schlagen Armenier-Verbände und mehrere Menschenrechtsorganisationen nun Alarm – und fordern den Bundesrat zu sofortigem Handeln auf.

Am 2. September 1991 hat sich Berg-Karabach nach den Regeln des Völkerrechts von der Sowjetunion und somit auch von Aserbaidschan getrennt. Nicht nur das Selbstbestimmungsrecht, sondern gar das Existenzrecht der christlichen Karabach-Armenier wird seither vom islamischen Aserbaidschan, auf dessen Territorium sich Berg-Karabach befindet, abgestritten. Die seit neun Monaten von Aserbaidschan betriebene Blockade des Latschin-Korridors – die einzige Verbindungsstrasse zwischen Berg-Karabachs Hauptstadt Stepanakert und der Aussenwelt – lässt die Karabach-Armenier verhungern.

«Stehen am Beginn eines Völkermords»
Die Vorräte der 120‘000 Einwohner sind aufgebraucht, bereits wurden erste Hungertote registriert. Die Zahl der Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen, ist drastisch gestiegen. In Stepanakert sind Mehl, Gas und Diesel genauso Mangelware wie Strom und Medikamente. Das Regime in Baku missbraucht vereinzelte Hilfslieferungen als psychologisches Druckmittel gegen die Karabach-Armenier. Die UNO-Völkermordkonvention setzt ein solches Vorgehen mit den gleichnamigen Verbrechen gleich. «Wir stehen am Beginn eines Völkermords, eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit», ist die Gesellschaft Schweiz-Armenien (GSA) überzeugt.

Der Bundesrat hat aus Sicht von in der Schweiz lebenden Armeniern viel zu lange gewartet: «So lange, bis es in Berg-Karabach zu Hungertoten gekommen ist.» Sehr wenig sei zu spüren von jener Welle der Solidarität, die nach den ersten Massakern an Armeniern im Osmanischen Reich die Schweiz erfasst habe. 1896 unterzeichneten mehr als 450‘000 Schweizerinnen und Schweizer eine Petition, die den Bundesrat zum Eingreifen aufforderte. Dabei sei die Solidarität der Schweiz heute wieder dringend nötig.

Es gibt Möglichkeiten, den drohenden Völkermord zu stoppen. Die Aussenpolitische Kommission (APK) des Ständerats hat den Bundesrat am 9. Januar 2023 aufgefordert, sich im UNO-Sicherheitsrat für eine humanitäre Luftbrücke zwischen Jerewan und Stepanakert unter der Schirmherrschaft der UNO einzusetzen. «Das ist dringend. Schweigen ist tödlich», kommentiert die GSA.

Kundgebung in Bern
Am kommenden Samstag, 23. September 2023, findet in Bern auf dem Münsterplatz von 13.30 bis 15.00 Uhr eine von Menschenrechtsorganisationen und armenischen Verbänden organisierte Kundgebung statt. Es sprechen unter anderem mehrere Mitglieder des Nationalrats, so Stefan Müller-Altermatt (Die Mitte), Christine Badertscher (Grüne), Marc Jost (EVP), Erich von Siebenthal (SVP) und Andreas Gafner (EDU).

Weitere Infos: www.csi-schweiz.ch/news/armenien-berg-karbach

UPDATE vom 19.09.2023, 19.30 Uhr: Wie die Stiftung CSI Schweiz mitteilt, hat Aserbaidschan am 19. September 2023 einen gross angelegten militärischen Angriff auf Berg-Karabach gestartet. Der Gesundheitsminister der Republik Arzach, Vardan Tadevosyan, sagte gegenüber CSI, dass die Hauptstadt Stepanakert ständig von Artillerie bombardiert werde: «Wir werden angegriffen!» Mehr dazu: www.csi-schweiz.ch


Redaktion


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  • user
    Juerg Leuthold 22.09.2023 um 23:42
    Besten Dank, dass Sie diese Kundgebung organisieren.

    Wir - ein unabhängiger Zusammenschluss von mehreren Personen - haben eben eine Petition zu Handen des Parlaments lanciert. Es geht darum einen weiteren Krieg im Südkaukasus zu verhindern, die Bewohner zu schützen und eine weiteren Genozid zu verhinder.
    Die Petition findet man hier:

    https://www.openpetition.eu/ch/petition/online/petition-zur-intervention-der-schweiz-im-berg-karabach-konflikt

    Wäre es möglich diesen Link ebenfalls anzubringen?
    MfG
    Jürg Leuthold, Neerach