Caterina von Siena und Papst Gregor XI. Von Blasco de Grañén, Barnes Foundation, Pennsylvania.

Weltkirche

Caterina von Siena: Eine Frau, die dem Papst den Weg wies

Am 29. April feiert die Kirche eine aussergewöhnliche Frau: Caterina von Siena. Sie war Mystikerin, Friedenstifterin, Ordensgründerin. Die Kraft für ihr vielfältiges Wirken schöpfte sie aus einer tiefen Christusbeziehung.

Caterina von Siena wird 1347 in eine unruhige und schwierige Zeit hineingeboren. Es herrschen Bürgerkriege und Familienfehden und ein Jahr nach ihrer Geburt kommt es zu einer Pestepidemie. Sie ist das 24. Kind des Pelzfärbers Jacopo di Benincasa und seiner Frau Lapa di Puccio di Piagente. Ein unscheinbares Kind, wäre da nicht dieses Ereignis mit sechs Jahren: Über der Dominikanerkirche in Siena lächelt ihr Christus zu, bischöflich gewandet und auf einem Thron sitzend.

Nach dieser Erscheinung legt sie das Gelübde der Jungfräulichkeit ab. Als ihre Mutter sie mit zwölf Jahren verheiraten will, weigert sich Caterina. Drei Jahre dauert der Streit mit der Mutter, bis der Vater ein Machtwort zugunsten seines Kindes spricht. Mit 16 Jahren tritt Caterina gegen den Willen ihrer Eltern den Mantellatinnen bei, auch «Schwestern der Busse des heiligen Dominiks» genannt. Die ersten Jahre verbringt sie zurückgezogen in ihrer Zelle.

Caterina bittet Christus, ihren Glauben zu stärken. Eine Bitte, die sie immer wieder vorbringt. Doch an einem Tag im Jahr 1367 oder 1368 spricht der Herr zu ihr:

«Weil du alle Torheiten um Meinetwillen abgelegt und gemieden hast, weil du alle Freuden des Fleisches verschmäht und allein in Mir die Wonne deines Herzens gesucht hast [..], will Ich mit dir die Feier der Verlobung deiner Seele festlich begehen. So, wie Ich verheissen habe, will Ich dich Mir im Glauben vermählen» (Raimund von Capua, Legenda Maior, 114–115). Er nimmt einen goldenen Ring und steckt ihn Caterina an den Finger. «Siehe, Ich vermähle dich Mir, deinem Schöpfer und Erlöser, im Glauben. Du wirst diesen Glauben stets unversehrt bewahren, bis du im Himmel mit Mir ewige Hochzeit feiern wirst.» Diesen Ring sieht Caterina ihr Leben lang an ihrem Finger, auch wenn er für andere unsichtbar bleibt.

Nach dieser Vision verlässt Caterina ihre Zelle und widmet sich hingebungsvoll den Armen und Kranken. Sie tut dies mit so viel Freude, dass sich immer mehr Menschen von ihr angezogen fühlen. Um sie bildet sich bald eine geistliche Familie. Unermüdlich ist ihr apostolischer Einsatz, immer wieder erlebt sie Visionen und Ekstasen.

Caterina sieht, wie sehr sich die Kirche von Christus entfernt hat und wie wichtig eine Kirchenreform ist. Mit insgesamt 14 Briefen fordert sie die Päpste zu dieser Reform auf. Sie prangert die herrschende Korruption an, der Klerus müsse sich wieder vermehrt um die Seelsorge kümmern. Ihre zum Teil drastisch formulierten Briefe, in denen sie selbst Kardinälen den Spiegel vorhält, entstehen aus ihrer tiefen Liebe zu Christus. Eine Liebe, die am 1. April 1375 zum Empfang der Stigmata führt. Ihre Schriften sind von einer einzigartigen Blutmystik geprägt. Der blutige Opfertod Jesu versinnbildlicht umso deutlicher seine erlösende Liebe. «Blut, Blut» sind dann auch die letzten Worte, als Caterina am 29. April 1380 im Alter von 33 Jahren in Rom stirbt.

Kirchenpolitisches Engagement aus Liebe zur Kirche
Wenn heute von Caterina von Siena gesprochen wird, vergisst man ihr diakonisches und apostolisches Wirken allzu oft, denkt man fast nur an ihr kirchenpolitisches Engagement. Caterina war stets um Frieden und Versöhnung bemüht. So konnte sie in ihrer Heimstadt Siena mehrfach Frieden stiften; ihr Ruf verbreitete sich und gelangte auch nach Avignon, wo Gregor XI. bereits als siebter Papst residierte. Er schrieb ihr 1374 einen Brief, in dem er sie um ihr Gebet bat.

Zwischen mehreren italienischen Städten und dem Papst bestand ein Konflikt, da sie sich durch den Einfluss des Papsttums in ihrem Vormachtstreben bedroht fühlten. Es entstand eine «Freiheitsbewegung», angeführt von der Republik Florenz. Als Papst Gregor XI. im März 1376 ein Interdikt androhte, sandte Florenz Caterina nach Avignon. Sie traf im Juni in Avignon ein und trug dem Papst ihre drei Anliegen vor: Frieden mit Florenz, Rückkehr des Papstes nach Rom und eine Kirchenreform.

Am 13. September 1376 verliess der Papst Avignon für immer und traf am 17. Januar 1377 in Rom ein, wo er mit grossem Jubel empfangen wurde. Der Friede mit Florenz sollte aber erst 1378 erfolgen. Doch schon kurz darauf ereignete sich etwas, was für Caterina weit tragischer war: Nach dem Tod Gregors XI. wurde Urban VI. gewählt. Der neue Papst erklärte den französischen Kardinälen, dass er in Rom bleiben werde und forderte eine Kirchenreform. Als Reaktion wählten diese Kardinal Robert von Genf zum Gegenpapst (Clemens VII.) Es war der Beginn des vierzig Jahre dauernden Abendländischen Schismas. Caterina ging nach Rom, um beim Papst für die Einheit der Kirche einzutreten und schrieb zahlreiche Briefe an Adressaten in ganz Europa zur Unterstützung des rechtmässigen Papstes.

Das Schisma traf Caterina von Siena mitten ins Herz. «Seid gewiss, wenn ich sterbe, dann habe ich mein Leben in der Kirche und für sie hingegeben.»
 

Caterina von Siena wurde am 29. Juni 1461 durch Papst Pius II. heiliggesprochen. Papst Pius IX. ernannte sie 1866 zur Schutzpatronin Roms, Pius XII. 1939 zur Patronin Italiens und Paul VI. 1970 zur Kirchenlehrerin. 1999 erklärte sie Johannes Paul II. zur Schutzheiligen Europas.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Gabriela Ulrich 30.04.2024 um 16:44
    Wenn der Papst etwas anderes lehrt, als die katholische Lehre der Kirche, dann muss man ihm nicht gehorchen.
    • user
      Meier Pirmin 01.05.2024 um 11:26
      Was heisst da gehorchen? Es gibt auch beim Papst, dessen Aussagen oft als politisch oder religionspolitisch einzuschätzen sind, viele augenblicksbezogene Alltagsmeinungen. Das ist zum Beispiel nicht mit Pius des XII. Verkündigung der leiblichen Aufnahme der Mutttergottes in den Himmel zu verwechseln, das wie das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis höchst interpretationsbedürftig ist, aber immerhin von sehr starker Substanz, und sei es nur für die Deutung von CG Jung, nicht zu verwechseln mit der religiösen Aussage.
  • user
    Claudio Tessari 28.04.2024 um 21:08
    Warum man einem Papst Bischof oder Priester im Regieren gehorchen soll, selbst wenn es nicht die Frommsten sind, sagt uns diese grosse Heilige:

    „Und selbst wenn der Papst ein fleischgewordener Teufel wäre, statt eines gütigen Vaters, so müssten wir ihm dennoch gehorchen, nicht seiner Person wegen, sondern Gottes wegen. Denn Christus will, dass wir seinem Stellvertreter gehorchen.“ – Brief 207
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      Meier Pirmin 29.04.2024 um 12:50
      Sie treffen die Gläubigkeit des Typus der gehorsamen Heiligen, wie Katharina eine war, für deren Einfluss auf die Kirche aber deren Beichtvater Raymund von Capua nicht zu unterschätzen ist, als der Kleriker im Hintergrund, wie bei der wohl am besten erforschten mittelalterlichen Mystikerin Christina von Stommeln. Noch zu empfehlen bleibt die von Frau Dr. Hässig bestens redigierte neueste Nummer der Schweizer Kirchenzeitung mit dem Schwerpunkt Mystikerinnen. Der Beitrag über die erste Stigmatisierte der Schweiz, Mechthild von Stans, verweist darauf, analog zur späteren im 20. Jahrhundert noch einmal stark beanspruchten heiligen Katharina von Siena, dass die Stigmatisierung damals als erwähltes und gnadenhaft geschenktes Mitempfinden der Passion Christi, vgl. Franz von Assisi und Heinrich Seuse, ein Kriterium, wenn nicht eine Bedingung war, um die Botschaft einer lebenden Heiligen auch wirklich ernst nehmen zu können. Bei Katharina ist von höchster Bedeutung, dass die Stigmata ihr intimstes Schamempfinden beschlugen und deshalb, wie bei Mechthild von Stans, verborgen bleiben sollten, im Gegensatz zur "Show", wie sie zeitweilig von Therese von Konnersreuth präsentiert wurden, vgl. den zu ihren Lebzeiten beim Aargauer Volksblatt publizierten Roman von Franz Heinrich Achermann "Moskau oder Konnersreuth".

      Nach dem Stand heutiger Mystikforschung wurde Katharina von Siena im Alter von Jesus aufs heftigste von der Sehnsucht nach Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus ergriffen, und ähnlich wie die Magdalena der Legende stellte sie das Essen ein, d.h., sie gehört zu den heiligen Anorektikerinnen. Im Gegensatz zu Bruder Klaus ertrug sie allerdings diesen Zustand nicht, der auch bei Klaus eher ein Leiden als eine Begnadung war und für die Heiligsprechung nicht als Wunder zählte. Katharina ist also nach menschlichem Ermessen im Alter von 33 Jahren verhungert, was nach heutigen Kriterien der Heiligsprechung vom "adcocatus diaboli", dem Verantwortlichen für Einwände, beanstandet würde.