Trachtenfest 2024. Bild: swiss-image.ch, Arnd Wiegmann

Kommentar

Eid­ge­nös­si­sches Trach­ten­fest: Wo bleibt die Oekumene?

Am ver­gan­ge­nen Wochen­ende fand in Zürich das Eid­ge­nös­si­sche Trach­ten­fest statt. Mehr als 100’000 Besu­che­rin­nen und Besu­cher fan­den sich zu die­sem Gross­an­lass schwei­ze­ri­scher Volks­kul­tur ein. Dazu gehörte auch ein Got­tes­dienst, aller­dings nur ein protestantischer.

Wie heisst es so schön im Oekumenischen Bettagsbrief 1997, den der katholische Generalvikar Weihbischof Peter Henrici und der protestantische Kirchenratspräsident Ruedi Reich gemeinsam verfasst haben: „Oekumenische Veranstaltungen und Anlässe sind im Kanton Zürich durch langjährige Praxis zur Gewohnheit und Selbstverständlichkeit geworden (...) Wir sollten vermehrt fragen, warum wir etwas nicht gemeinsam mit unserer Schwesterkirche unternehmen. Wenn wir uns in bestimmten Dingen noch für ein getrenntes Vorgehen entscheiden, müsste das begründet werden. Kooperation ist die Norm, Alleingang die Abweichung.“

Von diesen hehren Grundsätzen ist nicht viel übrig geblieben, zumindest nicht am Eidgenössischen Trachtenfest, das vom 28. - 30. Juni 2024 in Zürich stattgefunden hat. 1939 ging dieser Grossanlass erstmals über die Bühne: eine Manifestation des Selbstbehauptungswillens und des Selbstverständnisses einer Schweiz, die sich damit der totalitären Blut- und Bodenideologie des Nationalsozialismus entgegenstemmte.

Heute ist dieser Anlass ein Ausdruck der Traditionsverbundenheit und Lebensfreude pur. Die Schätzungen reichen von 100'000 – 150'000 Besucherinnen und Besuchern, die sich dieses farbenprächtige Ereignis nicht entgehen lassen wollten. „Frauen zeigten ihre kostbaren Trachten mit bestickten und bunt gewobenen Schürzen, mit Schmuck besetzten und auffällig geschnürten Miedern, Hauben aus Rosshaaren und Silberfäden“, begeisterte sich die Journalistin des Tages-Anzeiger. Vollends ins Schwärmen geriet der Berichterstatter der Neuen Zürcher Zeitung: „Die prächtigen, oft schon über Jahrzehnte von Generation zu Generation weitergegebenen Trachten waren wundervoll anzusehen, die meisten Gesangs-, Musik- und Tanzdarbietungen ein Augen- und Ohrenschmaus. Und es herrschte vor allem eine wunderbar ungezwungene Stimmung.“
 

Oekumenischer Gottesdienst - Fehlanzeige
Dieses farben- und klangfrohe Stelldichein der Schweizer Volkskultur rief förmlich nach einem Gottesdienst, einem oekumenischen Gottesdienst zumal, der deren sprachliche, geographische und konfessionelle Vielfalt kongenial abbilden würde. Stattdessen ging im Fraumünster ein evangelisch-reformierter Gottesdienst über die Bühne – unter der Regie von Pfarrer Johannes Block. David Vogelsanger, Sohn eines prominenten Fraumünsterpfarrers, hatte sich in der „Weltwoche“ (25.02.2021) mächtig geärgert über Blocks Berufung zum späteren Nachfolger seines Vaters:

„27 Schweizer Pfarrer haben seit der Reformation am Fraumünster das Evangelium ausgelegt, nichts anderem als dem Bibeltext verpflichtet und alle mit gründlicher Bildung. Nun soll der lutherische Pastor Johannes Block Fraumünsterpfarrrer werden. Nicht irgendein Pastor, sondern derjenige von Martin Luthers eigener Marienkirche in Wittenberg... Auf der Wittenberger Kanzel liess Luther auch seiner Wut auf die aufständischen Bauern ('Schlagt sie tot, die tollen Hunde') und vor allem seinem fanatischen Hass auf die Juden freien Lauf. Er rief zur Tötung der angeblichen Hexen auf und predigte deutsche Obrigkeitsgläubigkeit. Das sind alles Dinge, die dem in der demokratischen Tradition seiner Heimat tief verankerten Zwingli völlig fremd waren und die in der Geschichte Deutschlands und Europas nur Unheil angerichtet haben. Man würde eigentlich erwarten, dass sie (sc. die theologische Fakultät der Universität Zürich) die zürcherische Pfarrerschaft so ausbildet, dass aus ihr auch ein Münsterpfarrer hervorgehen kann, ohne dass man ihn in der lutherischen Kirche in Deutschland suchen muss.“
 

Unschweizerische Schnapsidee
Am meisten in Rage brachte David Vogelsanger ein Ansinnen, dass Pfarrer Block noch vor seinem Amtsantritt mit einem Postulat sui generis vorpreschte: „Wir hoffen, dass Pastor Block von einer so völlig unzürcherischen Schnapsidee wie dem bedingungslosen Grundeinkommen, die er offenbar vertritt, schleunigst wieder Abstand nimmt. Geben wir ihm jedoch eine Chance, sich Zürich und Zwingli zu nähern!“

Diese Chance hat Pfarrer Block mit seinem spezifischen Background wenig überraschend gründlich verpasst. In seiner Predigt lobte er zwar Heimatliebe und Heimatverbundenheit, versuchte, mit Detailkenntnissen zu glänzen („Es gibt seit 250 Jahren Trachten in der Schweiz mit rund 700 verschiedenen Trachten“). Doch spätestens als er den Talar des protestantischen Geistlichen als Ausdruck dafür wertete, dass die sakralen Worte nicht privat, sondern offiziell und öffentlich gemeint seien, kollidierte Pfarrer Block frontal mit dem Urheber der Zürcher Reformation, Ulrich Zwingli. Denn dieser hatte just die Unterscheidung zwischen „sakral“ und “profan“ vehementestens bekämpft (nicht von ungefähr ist der Antrag, im Rahmen der Revision der Kirchenordnung den Talar für Geistliche in Gottesdiensten für obligatorsich zu erklären, auf massive Ablehnung gestossen).

Wie denn auch Zwingli ob all der farben- und klangfrohen Tänze und Gesänge sich im Grabe umgedreht hätte, verordnete er doch zu Lebzeiten nicht nur ein rigoroses Bilderverbot, sondern untersagte auch jegliche Form von Musik und Gesang, und dies nicht nur in Gotteshäusern, sondern auch im weltlichen Bereich; er liess das Singen von Liedern in Wirtshäusern mit hohen Geldstrafen ahnden.

Umso wichtiger wäre ein Korrektiv bzw. oekumenisch justierter Gottesdienst im Rahmen dieses eidgenössischen Anlasses gewesen. Tatsächlich spielt die Tradition mit ihren vielfältigen Ausdrucksformen in der katholischen Kirche eine weit bedeutendere Rolle als in der reformierten Kirche. Der adäquate Einbezug der katholischen Schwesterkirche, in der zahlreiche Brauchtumsformen ihre Wurzeln haben, in den Gottesdienst wäre Sinn und Geist des Eidgenössischen Trachtenfestes weit mehr gerecht geworden. Wie wäre es beispielsweise mit einer der bekannten Jodlermessen gewesen, gesungen von einem ebenso bekannten reformierten Kirchenchor?

 

Niklaus Herzog


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

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Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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    Cornelia Schön 05.07.2024 um 10:58
    Ist auch nicht wichtig,ökumenisch.Entweder 100%katholisch oder sein lassen☺️
  • user
    Meier Pirmin 04.07.2024 um 09:24
    Die Einbildung, Leute von der katholischen und reformierten Landeskirche, wenn die mal was zusammen machen, sei ökumenisch, was weltumspannend heisst, betrachte ich als Illusion und massive Selbstüberschätzung beider Seiten. @Stoecklin. Am Fraumünster lehrten einst Oswald Mykonius, Thomas Platter und Rudolf Ambühl, hochbegabte Pioniere der Reformation, die aber noch sehr viel Ahnung von Katholizismus hatten, zumal Ambühl, der sich der Schlacht bei Kappel entzog, aber Zwingli beim Religionsgespräch mit Luther in Marburg begleitet hatte, wo sich die Schweizer nicht nur wegen der Abendmahlsfrage beschimpfen lassen mussten, wegen ihres republikanischen Gemeindeverständnisses. Aus letzterem Grund, nicht wegen der ökomuenischen Theologie, sollten Katholiken und Reformierte bei Festanlässen mit eidgenössischem Charakter ihre durchaus vorhandene Gemeinsamkeit feiern. Von theologischer Substanz kann man bei den heutigen Landeskirchen kaum mehr sprechen, was mir in den letzten Jahren zu meinem Bedauern u.a. bei den Christkatholischen aufgefalllen ist. Im Bruderklausjahr wusste keiner der angefragten Theologen noch, dass ihr Kirchengründer Eduard Herzog ein sehr gutes Buch über Bruder Klaus geschrieben hat. Der Beitrag der Christkatholen im Jubiläumsbuch war deshalb schlicht erbärmlich eher mit Wikipediawissen. Die vergleichsweise beste Predigt, die ich in den letzten 2 Jahren gehört habe, stammte nichtsdestotrotz von einem Zürcher Theologen, der bei einem gemischtkonfessionellen Gottesdienst anlässlich der Näfelser Fahrt in Näfels anfangs April eine ausgezeichnete Fahrtpredigt hielt, ein Jahr zuvor war es Bischof Bonnemain gewesen. Die Konfessionen haben sich in der Schweiz eher unter "vaterländischen" Gesichtspunkten sowie bei Krisen, die von aussen kamen, oft gut getroffen um nicht zu sagen zusammengerauft. @Heinz Meier trifft es meines Erachtens besser als @Stoecklin. @Tessari sollte sich in Sachen Muttergottes besser mal mit der Mariologie der Ostkirchen befassen und der unglaublich gehaltvollen Predigt von Zwingli vom 14. Sept 1522 in Einsiedeln zur Engelweihe "über die reine Magd Maria", die bis heute bedeutendste weil erhellendste Leistung eines Schweizer Theologen zur Muttergottestheologie. Reformierten und Katholischen in der Schweiz fehlt es heute über Grundwissen der eigenen Kirchengeschichte.
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    Stoecklin Rolf 03.07.2024 um 23:00
    Grossen Respekt vor dieser gruendlchen Betrachtung, die heute seinesgleichen sucht. Ein solcher Pfarrer gehoert nicht ans Fraumuenster..
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    Heinz Meier 03.07.2024 um 17:40
    Die hier vorgetragene Sicht scheint mir eher vermessen als zutreffend zu sein. Denn es fehlt in der Ökumene nicht an Mut, über den eigenen Schatten zu springen - sondern (ganz menschlich) bloss am Mangel an Aufmerksamkeit für die günstige Gelegenheit. Das ermutigende Wort von Bischof Henrici findet hoffentlich beim Kommentator auch dann wieder Gehör, wenn es nicht nur zur spitzen Feder sondern auch zum geschwisterlichen Anlass passt. Die geäusserten Mutmassungen dürften nämlich kaum geeignet sein, dem Wunsche von Bischof Henrici zu entsprechen.
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    Claudio Tessari 03.07.2024 um 16:36
    Wahre Ökumene ist Rückführung der getrennten Brüder und Schwestern zur einen heiligen apostolischen und katholischen Kirche. Die Ökumene der letzten Jahren hat versagt. Die Katholiken verzichten, und die Protestanten bekehren sich trotzdem nicht. Für die wahre Ökumene braucht es die Muttergottes, welche die verirrten Kinder zurück zu Jesus führen kann. Aber diese wird von den Katholiken bewusst zur Seite gestellt und von den Protestaten verachtet.