Die heilige Birgitta bei der Niederschrift ihres Marienoffiziums, um 1483 (Tafelbild), Germanisches Nationalmuseum in Nürnberg. (Bild: Mateus2019, Public domain)

Hintergrundbericht

Eine mutige Frau mit einer klaren Botschaft

Birgitta von Schweden ist eine imponierende Gestalt: Ehefrau, Mutter, Beraterin, Schriftstellerin, Ordensgründerin, Patronin Europas. Am 23. Juli 2023 feiert die Kirche den 650. Todestag dieser Heiligen. Ihre prophetische Stimme wäre auch heute bitternötig.

Birgitta von Schweden (Birgitta Birgersdotter) wurde 1303 in Finsta bei Stockholm geboren. Ihre Familie gehörte dem Hochadel an und war eine der mächtigsten Familien in Schweden. Birgitta fiel bereits als Kind durch Visionen auf: Gemäss Überlieferung sah sie in einer dieser Visionen den Gekreuzigten, woraus sich eine grosse Liebe zum leidenden Christus entwickelte. Sehr jung heiratete Birgitta den begüterten Ulf Gudmarson und führte mit ihm eine glückliche Ehe. Ihnen wurden acht Kinder geschenkt, von denen zwei bereits jung starben. Drei Töchter gingen ins Kloster: Ingeborg wurde Zisterzienserin, Cäcilia Dominikanerin und Katharina sollte später die Klostergründung ihrer Mutter vollenden.

Eine neue Berufung in der Mitte ihres Lebens
Die beiden Eheleute lebten fast zwanzig Jahre auf der Burg Ulvåsa bis Birgittas Vetter König Magnus II. sie 1335 zur Oberhofmeisterin seiner jungen Ehefrau Blanca von Namur berief. Vier Jahre später unternahm Birgitta mit ihrem Mann Ulf eine Wallfahrt zum Nidrasdom, der Grabstätte des heiligen Olav. Kurz darauf pilgerte sie mit ihrem Mann nach Santiago de Compostela. Auf der Heimreise erkrankte Ulf und starb 1344 im Zisterzienserkloster Alvastra (Schweden). Die Zisterzienser erlaubten Birgitta im Kloster zu bleiben, was ungewöhnlich war. In dieser Zeit empfing sie Offenbarungen und fühlte sich zur Braut Christi und seinem Sprachrohr berufen.

Durch die Beschäftigung am Hof sowie ihre Wallfahrt nach Santiago de Compostela hatte Birgitta Einblicke in die politischen und kirchlichen Verhältnisse in Europa erhalten. Sie kritisierte öffentlich die Lebensführung von adligen und geistlichen Würdenträgern, aber auch von Laien und rief sie zur Umkehr auf. Sie versuchte, zwischen den Kriegsparteien England und Frankreich (Hundertjähriger Krieg) zu vermitteln und setzte sich für die Rückkehr von Papst Clemens VI. von Avignon nach Rom ein.

1346 gab ihr Christus in einer Vision den Auftrag, eine neue Ordensgemeinschaft zu gründen. Vom König erhielt sie dazu das Gut Vadstena, wo sie das Kloster gründete und die Ordensregeln für den «Erlöserorden» (auch Birgittenorden genannt) niederschrieb. In einer weiteren Offenbarung wurde ihr aufgetragen, nach Rom zu reisen, was Birgitta 1349 dann in die Tat umsetzte; im Heiligen Jahr 1350 kam ihre verwitwete Tochter Katharina nach. Mit einigen Gefährten wohnten sie in einem Haus an der Piazza Farnese und bildeten eine klösterliche Lebensgemeinschaft. Sie gründeten ein Hospiz für Pilger aus dem Norden, kümmerten sich um Obdachlose und unterstützten Arme. Das Mutterhaus des Ordens sowie die Kirche «Santa Brigida» stehen heute an der Stelle dieses Hauses.
 


In ihrer Zeit in Rom bemühte sich Birgitta immer wieder um die Anerkennung ihres Ordens, so auch 1364 beim römisch-deutschen Kaiser Karl IV. und bei Papst Urban V. in Avignon. Nach der Rückkehr des Papstes aus dem Exil (1367) erreichte sie 1370 endlich die Genehmigung ihres Klosters in Vadstena nach den Regeln des heiligen Augustinus, nicht aber die Anerkennung ihrer Ordensregeln. Erst Papst Urban VI. bestätigte 1378 endgültig den Erlöserorden und dessen Ordensregeln – die heilige Birgitta sollte es nicht mehr erleben.

Eine Frau mit Einfluss
Auch während ihres Romaufenthalts versuchte sie unermüdlich, durch ihre prophetischen Botschaften dem sittlichen und religiösen Verfall entgegenzuwirken und zur Umkehr aufzurufen. Sie war damit eine der ersten Frauen ihrer Zeit, die bewusst öffentlich auftrat. Birgitta hatte etwa 700 Visionen, die sie in vier grossen Bänden (aufgeteilt in acht Bücher) mit insgesamt 1400 Seiten niederschrieb. Die «Revelationes» gelten als das literarische Hauptwerk des schwedischen Mittelalters; es war das erste skandinavische Werk, das in fast alle Sprachen Europas übersetzt wurde.

Ihre Offenbarungen hatten auch Einfluss auf die Kunst: Während ihrer Wallfahrt ins Heilige Land erlebte die heilige Birgitta wie im Traum die Geburt Jesu. Dabei zog Maria die Schuhe aus, legte den Schleier ab und kniete sich anbetend vor das neugeborene Kind hin, das nackt auf dem Boden lag. Diese Darstellung wurde nun von vielen Künstlern übernommen; das erste bekannte Bild stammt von Niccolò di Tommaso.
 


Birgitta unternahm während ihrer Zeit in Rom immer wieder Wallfahrten – und soll dabei alle italienischen Heiligenschreine besucht haben. 1372 – Birgitta war inzwischen 69 Jahre alt – unternahm sie zusammen mit ihrer Tochter Katharina und ihren beiden Söhnen Birger und Karl eine Wallfahrt ins Heilige Land. Sie blieb dabei einige Zeit in Zypern am Hof der Königin Eleonore von Aragon, der sie als Ratgeberin diente. Birgitta kehrte Anfang 1373 nach Rom zurück und starb dort am 23. Juli 1373.

Vom Volk heiliggesprochen
Ihre Tochter Katharina überführte ihre Gebeine nach Schweden ins Kloster Vadstena. Es war auch Katharina, die die Klostergründung dort realisierte; deshalb ist eigentlich sie die Gründerin des Erlöserordens, wenn auch der Orden aus Birgittas Offenbarungen erwuchs. Vadstena – das Rom des Nordens – wurde bereits vor der Heiligsprechung von Birgitta zu einem Wallfahrtsort, dies belegen zahlreiche Pilgerzeichen, die in ganz Europa gefunden wurden.
Diese Tradition soll neu belebt werden: Seit 2019 werden «Saint Birgitta Ways» entwickelt, Pilgerrouten, die nach Vadstena führen. Link (in schwedischer Sprache).

Aus dieser ersten Gründung in Vadstena entstanden rund 70 Klöster in ganz Europa; durch die Reformation im 16. Jahrhundert löste sich der Orden jedoch nahezu auf.

Birgitta wurde bereits am 7. Oktober 1391 von Papst Bonifatius IX. heiliggesprochen. Seit 1396 ist sie die Schutzheilige Schwedens, 1999 wurde sie von Papst Johannes Paul II. zusammen mit Katharina von Siena und Edith Stein zur Schutzheiligen Europas erklärt.
 

1911 belebte die Schwedin Elisabeth Hesselblad den ursprünglichen Erlöserorden wieder. 1920 erhielt der Orden die kirchliche Bestätigung, 1942 auch die Erlaubnis, den ursprünglichen Namen «Ordo Sanctissimi Salvator» fortzuführen.Heute gibt es vier Zweige des Ordens. Weltweit leben aktuell rund 600 Schwestern in knapp 60 Klöstern, davon rund 20 in Europa. Vom ursprünglichen Zweig existieren noch drei unabhängige Klöster: eines in Schweden und zwei in den Niederlanden.

Es liegen in Kirchen immer wieder Gebete auf, die angeblich von der heiligen Birgitta stammen. Die darin aufgeführten Verheissungen würden in Erfüllung gehen, wenn die Gebete plus eine bestimmte Anzahl «Vaterunser» und «Ave Maria» gebetet würden. Der Heilige Stuhl stellte bereits 1954 fest, dass diese Gebete nicht auf die heilige Birgitta zurückgehen, und bat die Bischöfe, die Verbreitung dieser Gebete nicht zu gestatten.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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