Fronleichnamsprozession 2023 in Domat/Ems. (Bilder: © Politische Gemeinde Domat/Ems)

Interview

«Gelebte Tradition und Romantik!»

Domat/Ems gehört zu den Pfarreien, welche das Hochfest Fronleichnam während der Woche feiern. In der Gemeinde gilt der Fronleichnam sogar offiziell als Sonntag. Im Gespräch mit «swiss-cath.ch» erzählt der Pfarrer von Domat/Ems, Gregor Barmet, von der Jahrhunderte alten Tradition dieses Hochfestes.

In Domat/Ems hat die Fronleichnamsprozession eine lange Tradition. Wie konnte sie hier – im Gegensatz zu anderen katholischen Pfarreien im Gebiet – die Reformation überdauern?
Domat/Ems ist eine «Fastnachtshochburg» und ein Ort, an dem alte Traditionen schon immer geliebt und gelebt wurden. «Die Emserin und der Emser» werden oft als fröhliche, aber eigensinnige Menschen charakterisiert. Diese Art hat vermutlich bewirkt, dass heute Fronleichnam noch so traditionell und aufwendig gefeiert wird. Es waren nicht die Pfarrherren, die das Hochfest in seiner strahlenden Art bewahrt haben, sondern die Basis, die sich gegen Erneuerungen und Abschaffungen (viel später als bei der Reformation) wehrten.

Viele Einheimische, aber auch Weggezogene nehmen extra einen freien Tag, um bei der Prozession dabei zu sein. Was ist das Besondere an der Fronleichnamsprozession in Domat/Ems?
Besonders ist, dass unzählige Menschen eine Aufgabe an diesem Tag erfüllen und zum grossen Fest beitragen. Sehr beliebt sind der Fahnenmarsch der Tambouren mit der «Musica da Domat» und die Rituale der «Cumpagnia da mats», die traditionellen Gesänge des «Chores Baselga» und das festliche Mitfeiern der Erstkommunionkinder mit Blumenstrauss. Zu diesem Fest werden aufwendige, insgesamt knapp 150 Meter lange Tannenkränze zum Schmuck in der Kirche geflochten, die Strassen erhalten einen grünen Grasteppich und werden seitlich mit Tannen geschmückt. Alles ist auf Jesus Christus ausgerichtet, der in der Monstranz in Form der Hostie durch die Strassen getragen und verehrt wird. Erwähnenswert sind auch die wunderschönen Melodien der Vesper am Nachmittag. Weil viele Weggezogene diese Feierlichkeiten vermissen, die ihnen ans Herz gewachsen sind, kommen sie zu diesem Tag, teils sogar vom Ausland, zurück und freuen sich auf ein Wiedersehen mit vielen.
 


Sie erwähnen die Beteiligung vieler Vereine. Wissen Sie, wie es zu diesem Zusammenwirken kam?
Dieses Zusammenwirken ist wohl schon sehr alt. Für die Vereine war es eine Ehre, für die Kirche eine Bereicherung. Heute ist es keine Selbstverständlichkeit, dass viele Mitglieder der Vereine, die ausserhalb von Domat/Ems arbeiten, einen freien Tag beziehen. Glücklicherweise ist die gegenseitige Wertschätzung immer noch vorhanden.

Das offizielle «Programm» des Hochfestes schliesst mit einer lateinisch gesungenen Vesper. Einfach ein romantisches Überbleibsel früherer Tage oder eine wirklich noch gelebte Tradition?
Gelebte Tradition und Romantik! Es ist unglaublich, zu sehen, dass sich eine so grosse Kirche zu einem solchen Anlass füllt. Von Kind auf sind diese Melodien den Einheimischen ins Herz geflossen. Es wird laut und in den höchsten Tönen gesungen.
 


Die Fronleichnamsprozession zieht auch viele Touristen an. Wir verhindern Sie, dass die Feier des Hochfestes nicht zu einer «Touristenattraktion» wird?
Die Gefahr einer «Touristenattraktion» besteht nicht. Es gibt auch Touristen, die in einer Glaubenshaltung kommen und mitfeiern. Doch die Gefahr der Verweltlichung des Anlasses ist gegeben. Immer mehr Menschen, auch Einheimische, können nicht mehr nachvollziehen, was an diesem Tag im Mittelpunkt steht. Dennoch bildet dieser Tag für viele ein Berührungspunkt mit der Kirche. Sie erfahren die Kirche positiv und schnappen das eine oder andere auf. Wichtig und schön ist auch die «Radunonza», eine weltliche Feier, die gegen Abend stattfindet. Engagierte sind zu dieser Versammlung eingeladen. Sie bildet die Schlussfeier, in der auch immer wieder religiöse Fragen diskutiert werden. Alles in allem ist Fronleichnam in Domat/Ems ein kirchliches Highlight, zu dem Sorge getragen werden muss.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Bernhard Suter 31.05.2024 um 12:57
    Ich war schon ein paar mal zu Fronleichnam in Domat/Ems.
    Als Luzerner berührt mich jedes Mal der Einatz eines grossen Teils der Dorfbevölkerung und die "Ernsthaftigkeit", mit der sie die Feier in der Kirche und die Prozession begehen.
    Die gesungene Vesper ist etwas ganz einmaliges. Ich habe noch nirgends sowas ähnliches gehört.
    Danke Domat/Ems, ich komme immer reich beschenkt vom Bünderland zurück.
  • user
    Meier Pirmin 31.05.2024 um 12:05

    @Gregor Barmet. Vielleicht haben wir uns letzten November bei der Seelsorgeweiterbildung über Bischof Caminada und die Vollendung der rätoromanischen Chrestomathie gesehen. Der Bericht und die Nachrichten über das Engagement sind erfreulich. Aber weder Caspar Decurtins noch Bischof Christianus Caminada, der durch Forschungen bestqualifizierte Prälat der katholischen Kirche Schweiz im 20. Jhd. betr. religiöse Volkskunde, hätte für dieses Brauchtum den im Sprachgebrauch zwiespältigen Begriff "Romantik" verwendet, so wenig unsere Landsgemeinden und Volksabstimmungen aus vielleicht Brüsseler Sicht "Romantik" darstellen. Auch Liturgie, Weihwasser und die sog. Palmen am Palmsonntag, letztere immerhin als fast einziges Brauchtum auch bei den Christkatholiken noch im Betrieb, sind nicht Früchte der Romantik, einer Epoche, die man natürlich auch wieder unterschätzt, weil sie tatsächlich mehr Sinn für das Symbolische und auch das Wunderbare hatten als wir heute.



    Zum Fronleichnamsfest ist zu sagen, dass bei seiner letzten Begehung in der Stadt Basel unmittelbar vor dem endgültigen Sieg der Reformation ein katholischer Geistlicher, später reformiert, zuletzt zu den Täufern übergetreten, bei der Fronleichnamsprozession eine schöne grosse Bibel durch die Stadt führte, ev. sogar unter einem Fronleichnamshimmel, als das für ihn Allerheiligste. Finde ich im historischen Rückblick total beeindruckend. Romantisch war es nicht, absolut revolutionär. Dabei merkten die abschaffungswütigen fReformierten Basels nicht einmal, was für eine Wandlungsfähigkeit tatsächlich im Brauchtum steckt, auch wenn - von heute aus gesehen - vordergründige Aktualisierungen und Ideologisierungen abzulehnen sind.