Geschlossenes Restaurant auf der Klosterinsel Rheinau. (Bild: Niklaus Herzog/swiss-cath.ch)

Kirche Schweiz

Klosterinsel Rheinau: Dringender Handlungsbedarf

Das nach dem Wegzug der psychiatrischen Klinik 2009 beschlossene Nutzungskonzept der Klosterinsel Rheinau ist ins Stocken geraten, hat teilweise gar einen Rückschlag erlitten. Nun ist auch die Römisch-katholische Körperschaft des Kantons Zürich gefordert.

«Ein Gastronom beklagt sich über die Strategie des Kantons» heisst der Titel eines Artikels in der Tageszeitung «Der Landbote». Darin ist die Rede von Begriffen wie «Vermarktungsstrategie», «Nutzungskonzept» und «Consultingfirma». Erinnert irgendwie an eine notleidende Tourismusregion mit in die Jahre gekommenen Hotelkomplexen und technisch veralteten Sesselliften.

Doch nichts von alledem. Gemeint ist vielmehr die Klosteranlage auf der Insel Rheinau. Von Gläubigen und Pilgern ist im ganzen Artikel nicht die Rede, was vieles aussagt über den Säkularisierungspegel unserer Gesellschaft, dient doch die Klosterkirche heute als Pfarrkirche von Rheinau und wird oft von Pilgerinnen und Pilgern wegen des dort befindlichen Reliquienschreins des irischen Wandermönchs Fintan aufgesucht.

Gegründet wurde das Kloster Rheinau im Jahre 778. Nach anfänglichen Schwierigkeiten erlebte das Kloster eine erste Blütezeit in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, insbesondere dank der tatkräftigen Förderung durch die Konstanzer Bischöfe Salomon II. und Konradius. Im Spätmittelalter nahmen die Übergriffe der umliegenden Adelsfamilien auf die wohlhabend gewordene Abtei zu, weshalb sie einen Schutzvertrag mit der Eidgenossenschaft abschloss. Im Gefolge des 2. Kappelerkrieges wurde das kurzzeitig aufgehobene Kloster wiederhergestellt und erlebte während der Barockzeit eine zweite Blüte. Berühmte Baumeister wie Caspar Moosbrugger gaben dem Kloster die noch heute bestehende Gestalt.

Die 1862 vom Kanton Zürich dekretierte Aufhebung des Klosters Rheinau war ausgesprochen hinterhältig. Das Kloster wurde nicht einfach aufgehoben, ihm wurde vielmehr ein Tod auf Raten aufgezwungen: Bereits ab 1838 durften keine Novizen mehr aufgenommen werden. Ebenso wurde es ihm verboten, Mönche aus anderen Klöstern aufzunehmen. Warum diese Salamitaktik? Umfangreiche Güter und Nutzungsrechte (die Vermögensverwaltung hatte der Kanton lange vor der Klosteraufhebung an sich gerissen) befanden sich auf deutschem Boden, genauerhin im Grossherzogtum Baden, und wären bei einer sofortigen Aufhebung gemäss Territorialprinzip an letzteres gefallen.

Von 1867 bis 2000 wurde in den Klostergebäuden eine psychiatrische Klinik untergebracht, der bekannte Psychiatrie-Pioniere wie Eugen Bleuler vorstanden.

Der Kanton Zürich als heutiger Eigentümer entschied sich nach der Auslagerung der psychiatrischen Klinik für ein Mischkonzept: Es sollten eine Musikakademie (von alt Bundesrat Blocher mit 20 Millionen alimentiert), eine Hauswirtschaftsschule, ein Museum und ein Restaurantbetrieb eingerichtet werden.

Museum noch nicht zugänglich – Restaurant bereits wieder geschlossen
Die Bilanz heute: Das Museum steht noch nicht, das Restaurant ist bereits wieder geschlossen. Dessen Pächter Marc Wegenstein macht geltend, dass ein Betrieb unter den aktuellen Voraussetzungen nicht realisierbar sei. Tatsächlich war ihm in Aussicht gestellt worden, das kulturhistorische Museum würde 2021 seine Pforten öffnen, was gemäss Berechnungen des Kantons Zürich jährlich zusätzliche 15 000 Besucher generieren würde. Diese sind infolge der noch nicht realisierten Museumseröffnung bis dato ausgeblieben.

Pächter Marc Wegenstein hätte deshalb vom Kanton Zürich erwartet, dass dieser ihm mit einer 50-prozentigen Pachtzinsreduktion aus der Klemme helfen würde, weil er infolge der ausgebliebenen Gäste in der Winterzeit das Restaurant schliessen musste. Es wäre dem Kanton Zürich gerade infolge seiner skrupellosen Rolle bei der Klosteraufhebung gut angestanden, im Sinne einer symbolischen Wiedergutmachung dem Antrag des Wirtes zu entsprechen. Doch der Kanton Zürich blieb bei seinem schäbigen Nein.

«Gratia non destruit, sed perficit naturam» (Die Gnade zerstört die Natur nicht, sondern vollendet sie) heisst ein bekanntes Dictum der scholastischen Theologie. Das Klosterensemble der Insel Rheinau ist eine geradezu idealtypische Verkörperung dieser Aussage. Dieses benediktinische Erbe, gleichsam die Krönung der sie umgebenden Panoramalandschaft, verdient es, ihm wieder neues Leben einzuhauchen.
 


Optimale Bedingungen für eine neue Blüte
Ein erster Schritt ist bereits gemacht. Seit dem März 2003 sind die Schwestern der «Spirituellen Weggemeinschaft» im «Haus der Stille» zwischen Kloster- und Spitzkirche präsent. Sie ermöglichen ihren Gästen Tage der Einkehr und der Teilnahme am klösterlichen Leben.

Es gilt, dieses architektonische Juwel wieder zu einem Ort des pulsierenden kirchlichen Lebens für Gläubige, Pilger und Kunstliebhaber zu machen – Letztere schliessen sich ja nicht aus. Gefordert ist in diesem Kontext gerade auch die finanziell üppig ausgestattete Römisch-katholische Körperschaft des Kantons Zürich, die gerne auch tout court unter dem Namen «Katholische Kirche im Kanton Zürich» firmiert. Denn sie hat primär die «Voraussetzungen für die Entfaltung des kirchlichen Lebens zu schaffen» (Art. 4 der Kirchenordnung der Körperschaft).

Von «swiss-cath.ch» dazu befragt, gibt sie sich entgegen ihrem sonst üblichen freizügigen Geschäftsgebaren (erwähnt sei der 6-Millionen-Betrag, den unlängst der Synodalrat der Körperschaft der islamischen Community überweisen wollte) betont zurückhaltend-reserviert: «Die Römisch-katholische Körperschaft hat grosses Interesse daran, dass die Klosterinsel mit der Kirche Maria Himmelfahrt – eine der bedeutendsten Sakralbauten der Schweiz – ein lebendiger Ort christlicher Kultur und Geschichte im Kanton Zürich bleibt. Sollte sie angefragt werden, ist die Körperschaft durchaus bereit, sich in die Überlegungen zu einer künftigen Nutzung konstruktiv einzubringen.» Eine finanzielle Mitbeteiligung am Pachtvertrag mit dem Restaurantbetreiber gehört allerdings gemäss Aussagen der Körperschaft nicht zu ihren Kernkompetenzen. Ein Konzept, welches eine Beteiligung der Körperschaft vorsieht, «würde aber sorgfältig geprüft werden».

Dazu kann die Körperschaft nur ermuntert werden, mehr noch: Es würde ihr wohl anstehen, dabei den Lead zu übernehmen. Denn die Pflege der Gastfreundschaft gehört seit jeher zur DNA der auf dieser Insel während Jahrhunderten anwesend gewesenen Benediktiner (vgl. das Kapitel «Von der Aufnahme der Gäste» in der Benediktsregel). Und für eine sinnenfrohe, auch kulinarischen Genüssen nicht abholde Kirchenkultur wie die katholische ist dies eine kirchenpolitisch ebenso unproblematische wie verlockende Herausforderung.


Niklaus Herzog
swiss-cath.ch

E-Mail

Lic. iur. et theol. Niklaus Herzog studierte Theologie und Jurisprudenz in Freiburg i. Ü., Münster und Rom.


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  • user
    Johanna-Jessica OFS 05.09.2024 um 23:45
    Ich vollzog von 2015-2018 meine Pflegeausbildung in Rheinau. Damals steckte ich noch tief im Sumpf der Esoterik, in den ich mich dank des Calvinismus, in den ich hinein geboren wurde, schon in KIndertagen verirrte... Auf genau jener Klosterinsel erlebte ich dann, am 03.10.2017 um 16:21 Uhr, zum Transitus des Hl. Franz von Assisi, jenen "Klick"-Moment, in dem Gott mich errettete - und ich katholisch wurde. Einige Jahre später wurde ich genau in diesem Kirchenjuwel gefirmt. All dies fügte sich wie von selbst zu einem wunderbaren Lebensbild zusammen! Und so schmerzt es mich nun umso mehr, was aus diesem kleinen Fleckchen Garten Eden nun geworden ist...... Ich werde beten, der HERR möge uns diese Insel, die so viel Vielfalt mit sich bringt, von Libellen bis zu Kirchenschätzen, weiterhin erhalten. Ich verbrachte viele, glückliche Stunden vor der wunderbaren Madonna in der Kirche, vor der Ruhestätte des Hl. Fintan, der in der Region noch immer so viel Gutes bewirkt. Rheinau ist ein Juwel von unschätzbarem Wert, wie Unsere Liebe Frau im Pflasterbach! Es ist nötiger denn je, dass der Kanton Zürich zu seinen Wurzeln zurück kehrt, ehe das Unheil der Spaltung Zerstörung, Leid und Vergessenheit mit sich brachte.