Hintergrundbericht

Marienmonat Mai

Einer alten Tradition gemäss wird die Jungfrau und Gottesmutter Maria vor allem in den Monaten Mai und Oktober verehrt. Swiss-cath.ch nimmt dies zum Anlass, Inhalt und Bedeutung der marianischen Dogmen in Erinnerung zu rufen.

Erste Maiandachten gab es bereits im Mittelalter; die Kirche wollte dadurch heidnische Maifeiern im positiven Sinne «verchristlichen»: Der Mai ist nach der römischen Fruchtbarkeitsgöttin Maia benannt. Zugleich wurde in Rom die Fruchtbarkeitsgöttin Flora verehrt. In der griechischen Mythologie war der Mai der Göttin Artemis geweiht.

Im Barock entwickelte sich der Mai neben dem Oktober zum Marienmonat. Die grösste Verbreitung fanden Maiandachten während des sogenannten «Marianischen Jahrhunderts»: zwischen der Verkündigung des Dogmas von der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria (1854) und des Dogmas über die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel (1950). Letzteres hat der berühmte protestantische Pfarrerssohn und Psychiater Carl Gustav Jung als geniale Antwort auf die vorangegangenen, den Menschen gerade in seiner Körperlichkeit verhöhnenden Nazi-Verbrechen bezeichnet.

Sowohl Papst Benedikt XV. im Ersten Weltkrieg wie auch Papst Pius XII. im Zweiten Weltkrieg empfahl die Maiandachten als besondere Gelegenheiten, um für den Frieden zu beten. Diesen Gedanken nahm Papst Paul VI. aufgrund des «Kalten Krieges» und des Vietnamkrieges, aber auch im Hinblick auf das Zweite Vatikanische Konzil in der Enzyklika «Mense Maio» (1965) auf: «Weil der Monat Mai ein starker Ansporn zu häufigerem und inbrünstigerem Gebet ist und weil unsere Bitten in diesem Monat leichter Zugang zu ihrem barmherzigen Herzen finden, war es ein beliebter Brauch Unserer Vorgänger, diesen Monat, der Maria geweiht ist, zu wählen, um das christliche Volk zu öffentlichen Gebeten aufzufordern, wann immer die Bedürfnisse der Kirche es verlangten oder eine schwere Krise die Menschheit bedrohte» (3).
 

Die vier marianischen Dogmen
Manche Menschen tun sich schwer mit der Marienfrömmigkeit, gerade auch solche, die das Etikett «Theologin» bzw. «Theologe» für sich in Anspruch nehmen.

Die Lehraussagen der Kirche zu Maria haben ihren Ursprung in der Stellung Marias in der Heilsgeschichte resp. in ihrer Beziehung zu ihrem Sohn. Daraus ergeben sich die vier Dogmen der Gottesmutterschaft Mariens, der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter, der immerwährenden Jungfräulichkeit und der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel.

Gottesmutterschaft
Bereits in der Bibel wird Maria sowohl als «Mutter Jesu» (z. B. Joh 2,2 oder Lk 2,34) bezeichnet, als auch als «Mutter des Herrn» (Lk 1,43) oder als Frau, die den Sohn Gottes geboren hat (Gal 4,4 f). Aufgrund der hypostatischen Union (Einheit der göttlichen und menschlichen Natur Jesu) wird Maria zu Recht als «Gottesgebärerin» (Theotokos) bezeichnet, denn der Logos, den sie gebar, trägt beide Naturen in sich vereinigt.
 


Ohne Erbsünde empfangen
Bei der Verkündigung sprach der Engel Maria mit folgenden Worten an: «Sei gegrüsst, du voll der Gnade, der Herr ist mit dir.» Wenn aber Gott Maria mit Gnade erfüllt hatte, musste sie bereits bei ihrer Empfängnis erlöst worden sei. Wie aber kann man sagen, sie sei ohne Erbschuld empfangen worden, ohne gleichzeitig die Notwendigkeit der Erlösung durch Jesus Christus zu leugnen? Im Laufe der Geschichte gab es verschiedene Lösungsansätze für dieses Problem. Johannes Duns Scotus (1266–1308) legte eine Erklärung vor, die schliesslich 1854 als Dogma verkündet wurde: Christus ist der vollkommene Mittler des Heils, deshalb wird jeder Mensch auf die ihm zukommende Weise erlöst. Es war mit der Ehre Christi nicht vereinbar, dass seine Mutter auch nur einen einzigen Augenblick unter der Herrschaft der Sünde gestanden hätte. So wurde Maria – die wie alle anderen Menschen erlösungsbedürftig ist – im ersten Augenblick ihres Daseins durch die Verdienste Jesu Christi im Voraus erlöst und von der Erbschuld bewahrt.

Immerwährende Jungfräulichkeit
Manche Exegetinnen und Exegeten wollen die Jungfrauengeburt als einen Mythos verstanden wissen, der aus den benachbarten Kulturen übernommen wurde. Doch in den Mythen vereinen sich Götter mit Menschfrauen, die Kinder sind entsprechend Mischwesen: halb Mensch, halb Gott. Jesus Christus hingegen ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Andere lehnen die immerwährende Jungfräulichkeit ab, weil sie der Natur widersprechen würde.

Die Lehre der Kirche hingegen hält fest: «Gemeint ist nicht die Abweichung von einer biologischen Regel und die Entstehung Jesu aus einer theogamen Verbindung […] Thematisiert wird vielmehr der alle Möglichkeiten der Natur und der menschlichen Vorstellung übergreifende Vorgang der Selbstvermittlung des ewigen Wortes (Sohnes) Gottes in die konkrete Existenz eines geschichtlichen Menschen ohne die zweitursächlich und geschöpfliche Vermittlung einer geschlechtlichen Zeugung.»1

Maria empfängt vom Heiligen Geist; Gott selbst ist Urheber der Menschwerdung, denn er will «nicht einen vorhandenen Menschen annehmen und sich durch ihn aussagen […], sondern […] Gott selbst will Mensch werden».2 Mit ihrem «Ja» ermöglicht Maria die Geburt des Gottessohnes. Sie bleibt nicht passiv, sondern nimmt durch ihren Glauben aktiv am Erlösungsgeschehen teil. Daraus ergibt sich, dass die Kirche die Jungfräulichkeit Marias vor, während und auch nach der Geburt lehrt: Die Geburt war nicht einfach ein biografisches Ereignis im Leben der Maria, nicht das Abhaken einer Aufgabe, nach deren Erfüllung sie ihr «eigenes Leben wieder aufnehmen konnte», sondern sie stellte ihr ganzes Leben in den Dienst dieses Erlösungsgeschehen.
 



Leibliche Aufnahme in den Himmel
Zum Tod Marias gibt es keine Angaben. Doch der Tod eines Menschen ist immer von Bedeutung. So kennt die Ostkirche seit dem 6. Jahrhundert das Fest der «Entschlafung Marias» (Dormitio); die Kirche im Westen seit dem 7./8. Jahrhundert. Papst Paul VI. erklärte zum Abschluss des Glaubensjahres 1967/68 das Dogma von 1950 so:

«Verbunden in einer ganz innigen und unauflöslichen Weise mit dem Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung, wurde die allerseligste Jungfrau, die unbefleckt Empfangene, am Ende ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen und – in Vorausnahme des künftigen Loses aller Gerechten – ihrem auferstandenen Sohne in der Verklärung angeglichen.»3 Weil Maria in einzigartiger Weise mit dem Erlösungswerk ihres Sohnes verbunden ist, nimmt sie «auch an der Auferstehungsgestalt Christi als die Ersterlöste und Vollerlöste teil»4.

Der Marienmonat Mai lädt uns besonders ein, Maria zu verehren und sie um Fürbitte für unsere Kirche und die Welt anzurufen. Gelegenheit dazu bieten z. B. die Maiandachten in den Pfarreien. Man kann aber auch zu Hause einen «Maialtar» einrichten und allein oder als Familie davor beten. Das Rosenkranzgebet führt dabei automatisch auch zu Christus, da jeweils eine Szene aus seinem Leben die Mitte eines jeden «Gesätzes» bildet.
«Da Maria mit Recht als der Weg angesehen wird, der uns zu Christus führt, kann derjenige, der Maria begegnet, nicht umhin, auch Christus zu begegnen» («Mense Maio» 2)

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1 Gerhard Ludwig Müller, Katholische Dogmatik, Freiburg 62005, 495.
2 Ebd. 497.
3 Während des feierlichen Glaubensbekenntnisses in der Messe zum Abschluss des Glaubensjahres 1967/68 vom 30. Juni 1968.
4 Gerhard Ludwig Müller, Katholische Dogmatik, 507.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

  • user
    Claudio Tessari 09.05.2023 um 20:24
    Vergelts Gott für diesen gnadenreichen Vortrag. Das pure Gegenteil vom häretischen Kirchensteuer finanzierten kath.ch