Kinder im Vertriebenenlager Kanyaruchinya. (Bilder: © Missio Schweiz)

Weltkirche

Monat der Weltmission 2024 – Zeichen weltweiter kirchlicher Solidarität

Der Oktober ist der Monat der Weltmission und erinnert an den missionarischen Auftrag Jesu an seine Kirche. Er steht im Zeichen der Verbundenheit mit der Weltkirche, ihrer Mission und ihrer weltweit grössten Solidaritätsaktion. Papst Franziskus wählte für den Oktober 2024 das Thema «Geht und ladet alle zum Hochzeitsmahl ein» (Mt 22,9). Alle Katholikinnen und Katholiken weltweit sind aufgerufen, über alle Grenzen hinweg missionarische Jüngerinnen und Jünger zu sein, auf die Menschen zuzugehen, gemeinsam mit ihnen zu beten und mit ihnen zu teilen.

Dieses Jahr steht die Kirche in der Demokratischen Republik Kongo im Mittelpunkt der Spendenaktion. Das Land ist nach Algerien der zweitgrösste Flächenstaat Afrikas und hat die höchste Anzahl an Katholikinnen und Katholiken auf dem Kontinent. Auf einem Gebiet, das 56-mal so gross ist wie die Schweiz, leben über 100 Millionen Menschen, davon etwa 45 Millionen katholische Christinnen und Christen. Der multiethnische Staat, der 1960 seine Unabhängigkeit von Belgien erlangte und bis 1997 Zaire hiess, ist Heimat einer lebendigen Kirche.

Die wichtige Stimme der Kirche
Neben dem grossen katholischen Bevölkerungsanteil gehören etwa ein Drittel der Menschen protestantischen oder pfingstkirchlichen Gemeinschaften an und rund 9 Prozent sind Muslime. Die Katholische Kirche, organisiert in 6 Erzdiözesen und 42 Diözesen, spielt eine zentrale Rolle im Land. Sechs Millionen Kinder besuchen katholische Schulen und 40 Prozent der Gesundheitseinrichtungen befinden sich in katholischer Trägerschaft. Damit hat die Kirche nicht nur eine bedeutende soziale Funktion, sondern auch eine einflussreiche politische Stimme.

Nach dem Sturz von Präsident Laurent-Désiré Kabila 1997 herrschte im Land Bürgerkrieg. 2002 wurde ein Friedensabkommen unterzeichnet, doch im Osten des Landes finden bis heute Kämpfe statt. Die rohstoffreiche Region ist Schauplatz bewaffneter Auseinandersetzungen zwischen Regierungs- und UN-Truppen auf der einen sowie verschiedener Rebellengruppen auf der anderen Seite. Seit November 2022 kommt es hier wieder verstärkt zu kriegerischen Auseinandersetzungen. Hunderttausende Menschen wurden vertrieben und leben unter katastrophalen Bedingungen in Lagern.

Hilfe für die Vertriebenen von Kanyaruchinya
Eines dieser Lager liegt 12 Kilometer nördlich von Goma, in Kanyaruchinya, wo etwa 150 000 Menschen unter schwierigsten Bedingungen leben. Die hygienische Situation ist prekär, Trinkwasser fehlt und Brennholz ist knapp. Überbelegung, Kriminalität, sexuelle Gewalt und Prostitution sind alltägliche Herausforderungen.

Die Pfarrei Hl. Therese vom Kinde Jesu in Kanyaruchinya unterstützt seit zwei Jahren Kriegswaisen aus dem Lager. In Feriencamps erhalten traumatisierte Kinder im Alter von vier bis zwölf Jahren psychologische und schulische Unterstützung. «Missio Schweiz» fördert dieses Projekt mit einem Teil der Spendensammlung zum Monat der Weltmission.
 


Bischof Willy Ngumbi Ngengele aus Goma (Nord-Kivu) besuchte zum Auftakt des Monats der Weltmission Mitte September 2024 die Schweiz. «swiss-cath.ch» nutzte die Gelegenheit für ein Interview, um aus erster Hand Informationen über die DR Kongo zu erhalten, ein Land, über das in unseren Medien nur selten berichtet wird.

Im Osten der DR Kongo herrscht seit Jahren Krieg. Ein kleiner Hoffnungsschimmer ist der im August 2024 vereinbarte Waffenstillstand. Wie ist die aktuelle Situation?
Zwar wurde Anfang August eine Feuerpause zwischen den Streitkräften der Demokratischen Republik Kongo (FARDC) und der M23-Rebellion, die mit der AFC-Rebellion (Alliance Fleuve Congo) verbündet ist, unterzeichnet, dieser Waffenstillstand ist jedoch sehr fragil und das Leiden der Bevölkerung hat sich nicht verringert.

  • Die Diözese ist in zwei Teile gespalten (ein Teil wird von der Regierung und ein anderer Teil von den M23-Truppen kontrolliert). Es ist für den Bischof schwierig, die Gläubigen zu besuchen, die sich in dem von der M23 kontrollierten Teil befinden.
  • Abrupte Verschlechterung der diplomatischen Beziehungen zwischen Ruanda und der DR Kongo: Es ist kein Geheimnis mehr, dass Ruanda die Rebellion der M23 unterstützt.
  • Massive und erzwungene Vertreibung der Bevölkerung: Heute leben mehr als drei Millionen Menschen in rund 20 Vertriebenenlagern rund um Goma.
  • In den Vertriebenenlagern gibt es keine Schulen.
  • Gestörter Personen- und Güterverkehr zwischen dem Norden und dem Süden der Diözese.
  • Übermilitarisierung der Stadt Goma und ihrer Umgebung (mindestens sieben rivalisierende bewaffnete Kräfte oder Gruppen anwesend)[1]
  • Freier Verkehr von leichten Waffen, der mit einer Unsicherheit einhergeht, die durch gezielte Tötungen, Entführungen, bewaffnete Raubüberfälle usw. gekennzeichnet ist.
  • Zunahme von Fällen von Gewalt gegen Frauen: Einige Statistiken sprechen von an die 27 Fällen von Vergewaltigung von Frauen in und um die Lager pro Tag.
  • Entstehung des Phänomens «Wazalendo» oder «Jeunes Volontaires pour la Défense de la Patrie» (VDP): Sie sind bewaffnet, aber es fehlt ihnen an militärischer Ausbildung.
  • Der Handelskreislauf ist aufgrund der Besetzung der Territorien Rutshuru und Masisi durch die M23-Truppen unterbrochen. Aus diesen beiden Territorien kommt die landwirtschaftliche Produktion, die die Stadt Goma versorgt, was zu hohen Lebensmittelpreisen und hohen Lebenshaltungskosten führt.

Bei den blutigen Überfällen durch Rebellengruppen wurden zum Teil gezielt Christen angegriffen. Wie sieht das Leben der Christinnen und Christen im Osten der DR Kongos aus?
Der Krieg der M23 ist kein Religionskrieg. Die Beweggründe der Rebellentruppen enthalten keinen Hinweis auf religiöse Motive. Die Christen werden daher nicht als Christen ins Visier genommen. Nach Ansicht vieler politischer Analysten sind die Beweggründe für den Krieg auf der politischen und wirtschaftlichen Ebene zu suchen, ohne das Problem der Flüchtlinge in jedem der Länder der Region ausser Acht zu lassen.

Das grösste Problem ist heute die Unterstützung der vertriebenen Bevölkerung. In der Tat kann diese Menschenflut nicht mehr lange bewältigt werden. Die lange Anwesenheit der Vertriebenen in behelfsmässigen Lagern führt zu weiteren Problemen wie Banditentum, Prostitution und Gewalt in verschiedenen Formen. Humanitäre Helfer wie die Caritas Goma, WFP, das Internationale Rote Kreuz, UNICEF, Médecins sans frontières (MSF), Save the Children usw. sind vor Ort präsent. All diese Organisationen sind jedoch mit dem immer grösser werdenden Bedarf der Vertriebenen an Wasser, Hygiene und Sanitäranlagen, Nahrungsmitteln und Nicht-Nahrungsmitteln sowie Gesundheit (Cholerafälle sind in den Lagern häufig) konfrontiert. Es scheint uns eher dringend, darüber nachzudenken, wie dieser Krieg, den die Bevölkerung nie gewollt hat, beendet werden kann.

Papst Franziskus besuchte Anfang 2023 die DR Kongo und fand dabei deutliche Worte. So rief er «Hände weg von der Demokratischen Republik Kongo, Hände weg von Afrika!» und sprach damit auf die gnadenlose Ausbeutung der Rohstoffe an. Welche konkreten Auswirkungen hatte der Papstbesuch?
Seit Jahrzehnten ist der kongolesische Boden immer wieder Schauplatz bewaffneter Gruppen aus dem In- und Ausland gewesen. Die seit März 2022 wieder auflebende M23-Rebellion gehört in die gleiche Kategorie. All diese Kriege führen dazu, dass der soziale Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben zwischen den Volksgruppen erschüttert werden: Jedes Mal tauchen interethnischer Hass und Fremdenfeindlichkeit wieder auf. Dadurch gerät das Land in eine nahezu permanente politische Instabilität und Unsicherheit.

Stellen wir uns also die Frage: Wer steckt hinter diesen bewaffneten Gruppen und Rebellionen? Sicherlich sind es die afrikanischen Nachbarländer der DR Kongo wie Ruanda, aber vor allem sind es die Weltmächte, die die Waffen liefern, um im Gegenzug die Rohstoffe zu erhalten, die sie für ihre Industrien benötigen. Daher war die Botschaft des Papstes sehr treffend, als er laut und deutlich sagte: «Nehmt eure Hände von der DR Kongo, nehmt eure Hände von Afrika! Es ist keine auszubeutende Mine und kein Land, das man ausrauben kann» (Botschaft von Papst Franziskus im Palais de la Nation, 31. Januar 2023).

Diese Botschaft des Heiligen Vaters hatte zweifellos überall dort, wo sie gehört wurde, ein positives Echo gefunden. Wir sind jedoch der Ansicht, dass es den Christen und allen Menschen, die sich für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt interessieren, obliegt, diesen Aufruf des Papstes umzusetzen. Aus diesem Grund danken wir allen internationalen Organisationen, die sich an der Suche nach Lösungen für das kongolesische Problem beteiligen und den Kriegsvertriebenen derzeit unermüdlich Hilfe anbieten. Wir danken allen Sondergesandten der USA, Belgiens, Frankreichs, Grossbritanniens, der Schweiz und des UN-Sicherheitsrats für die Region der Grossen Seen, die nicht müde werden, sich für den Frieden in der DR Kongo einzusetzen. Schliesslich werden wir nicht aufhören, die Bemühungen aller afrikanischen Präsidenten zu würdigen, die an den Gesprächen in Nairobi und Luanda beteiligt sind, die uns seit einem Monat eine Waffenpause beschert haben.

Unsere Hoffnung ist, dass diese Waffenpause, auch wenn sie zerbrechlich ist, zu einem Abkommen für einen dauerhaften Frieden in der Region der Grossen Seen führt.

Was kann die Katholische Kirche angesichts der vielen Probleme bewirken?
Die Katholische Kirche hat sich den Menschen in Goma in dieser Zeit, in der sie so viel Leid erfahren, das ihnen durch den Krieg auferlegt wird, sehr nahe gezeigt. Zunächst einmal hatte sie die Initiative des Heiligen Vaters, Papst Franziskus, die Demokratische Republik Kongo zu besuchen, wohlwollend aufgenommen. Wir wissen alle, dass er nach Goma kommen wollte, aber aufgrund von Sicherheitsbedenken in letzter Minute musste er auf den Besuch verzichten. Im Allgemeinen begrüssten die Einwohner von Goma das Gespräch, das Papst Franziskus in Kinshasa mit einer Delegation von Kriegsüberlebenden aus dem Ostkongo geführt hatte. Es war wichtig, dass der Heilige Vater aus erster Hand nicht nur von den Gräueltaten hörte, die diesen friedlichen Bürgern angetan wurden, sondern auch von der Hoffnung, die in ihnen lebt und die durch die psychosoziale und spirituelle Begleitung, die sie von der Kirche erhalten, gestärkt wird. Die Kirche ist in ihrer evangelisierenden Mission nie von der Botschaft des Trostes, des Friedens, der Gerechtigkeit und der Versöhnung abgewichen, die der Papst selbst den Kongolesen und der Welt verkündet hat. Die Ursache für die Kriege und die Gewalt im Osten der DR Kongo liegt nicht nur in der schlechten Regierungsführung, sondern auch in den Konflikten zwischen den verschiedenen Volksgruppen und der unkontrollierten Ausbeutung der natürlichen Ressourcen des Landes. Diese kommen nur einer Handvoll Menschen zugute, die mit Unterstützung der im Westen ansässigen multinationalen Konzerne unermesslich reich geworden sind. In dieser Notlage, in der die Würde der menschlichen Person mit Füssen getreten wird, war die Kirche in der DR Kongo immer die Stimme der Stimmlosen.

Am 18. August 2024 wurden vier Märtyrer seliggesprochen, die 1964 von Rebellen ermordet worden waren. «Ich bin überzeugt, dass das Blut unserer seliggesprochenen Märtyrer uns das Geschenk des Friedens bringen wird», sagte Kardinal Ambongo Besungu in seiner Predigt. Und auch Papst Franziskus bat: «Mögen ihr Beispiel und ihre Fürbitte Wege der Versöhnung und des Friedens zum Wohle des kongolesischen Volkes fördern.» Teilen Sie diese Hoffnung?
Ich selbst war bei dieser Eucharistiefeier zur Seligsprechung von Abbé Albert Joubert und seinen drei Gefährten, den Xaverianer Missionaren, anwesend. Wenn man die Freude und den Eifer der Gläubigen bei dieser Messe sah, können wir sagen, dass wirklich das kongolesische Volk im Allgemeinen die Hoffnung teilt, dass das vergossene Blut dieser Märtyrer ein Same für die Versöhnung und den Frieden zwischen den Gemeinschaften in der DR Kongo und zwischen dieser und ihren Nachbarn, insbesondere Ruanda, ist. Möge die Jungfrau Maria, Unsere Liebe Frau des Friedens, uns lehren, zusammenzuleben und mehr Friedens- und Versöhnungsstifter zu sein.

Danke, dass Sie diesen Krieg, über den die Medien nicht viel berichten, bekannt machen können.
 

Willy Ngumbi Ngengele M.Afr wurde am 13. Februar 1965 in Bujumbura, Burundi, als Sohn kongolesischer Eltern geboren. Seit 1992 gehört er der Ordensgemeinschaft der Afrikamissionare (Weisse Väter) an. Ein Jahr später, nach dem Abschluss seines Theologiestudiums in Toulouse, empfing er die Priesterweihe. Ein Teil seines Noviziats führte ihn nach Freiburg in der Schweiz.
Im Jahr 2007 ernannte ihn Papst Benedikt XVI. zum Bischof von Kindu in der Demokratischen Republik Kongo, wo er zwölf Jahre lang wirkte. 2019 wurde er von Papst Franziskus zum Bischof von Goma ernannt, eine Position, die er bis heute innehat. Seit der Wiederaufnahme der kriegerischen Auseinandersetzungen im Jahr 2022 engagiert sich Bischof Ngumbi Ngengele intensiv für die Vertriebenen in der Region Nord-Kivu und bemüht sich um Vermittlung zwischen den Konfliktparteien.

 

«Missio Schweiz» ist der Schweizer Zweig des weltweiten Netzes der Päpstlichen Missionswerke. Missio fördert das Wirken der finanziell noch nicht selbsttragenden Ortskirchen in Afrika, Asien, Lateinamerika und Ozeanien und unterstützt deren pastorale, karitative, erzieherische und soziale Projekte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Missio steht für Hilfe zur Selbsthilfe. www.missio.ch

 


[1] FARDC, MONUSCO, SAMIRDC, Weisse Instruktoren, Wazalendo, M23 und zu einem verschwindend geringen Teil FDLR.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

  • user
    REKA D 210 6 1-6 27.09.2024 um 08:24
    «Geht und ladet alle zum Hoch­zeits­mahl ein»
    Ein wunderbares Motto in unserer heutigen Zeit, wo viele glauben, es sei gleichgültig, ob und was wir glauben.