(Bild: Cathopic)

Weltkirche

Papst Bene­dikt XVI. – ein gros­ser Theo­loge und glau­ben­streuer Papst

Heute ver­starb Papst Bene­dikt XVI. – Joseph Ratz­in­ger. Er war nach Cle­mens II. und Dama­sus II. der dritte deut­sche Papst und nach Coeles­tin V. der zweite Papst in der Geschichte, der frei­wil­lig zurücktrat.

Diese Biografie lädt zu einem Rückblick auf das Leben Benedikts XVI. ein. In Kürze folgt eine Würdigung seines theologischen Wirkens von Kardinal Kurt Koch.

Kindheit, Jugend, Studium
Joseph Ratzinger kam am 16. April 1927 (einem Karsamstag) in Marktl am Inn (D) zur Welt und wurde noch am gleichen Tag getauft. Sein Vater war Kommandant der Gendarmeriestation, seine Mutter hatte vor der Heirat in verschiedenen Hotels als Köchin gearbeitet. Er hatte zwei Geschwister: Maria Ratzinger und den Kirchenmusiker Georg Ratzinger. Die Kindheit und Jugend verbrachte Joseph Ratzinger in Traunstein, einer Kleinstadt nahe der österreichischen Grenze.

Im Alter von 14 Jahren wurde Joseph Ratzinger zwangsweise in die «Hitlerjugend» aufgenommen. Zwei Jahre später, am 2. August 1943, kam er zusammen mit anderen Seminaristen aus Traunstein als Luftwaffenhelfer nach München. Im Dezember 1944 wurde er zur Wehrmacht eingezogen. Nach Hitlers Tod verliess er eigenmächtig die Truppe und geriet später in amerikanische Kriegsgefangenschaft. Am 19. Juni 1945 wurde er in die Freiheit entlassen.

Von 1946 bis 1951 studierte Joseph Ratzinger Philosophie und Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule von Freising und an der Universität München in Bayern. Am 29. Juni 1951 wurde er zusammen mit seinem Bruder Georg zum Priester geweiht. Ab August 1951 wirkte Joseph Ratzinger als Kaplan in der Pfarrei St. Martin in München, dann in der Pfarrei Heilig Blut, bis er auf den 1. Oktober 1952 als Dozent an das Freisinger Priesterseminar berufen wurde.

Wissenschaftliches Arbeiten
Ratzinger promovierte 1953 «summa cum laude» mit seiner Schrift «Volk und Haus Gottes in Augustinus Lehre von der Kirche». 1957 habilitierte er sich an der Ludwig-Maximilians-Universität München bei Gottlieb Söhngen im Fach Fundamentaltheologie. («Die Geschichtstheologie des hl. Bonaventura). Ab 1958 lehrte er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule in Freising Dogmatik und Fundamentaltheologie. Von 1959 bis 1963 hatte er den Lehrstuhl für Fundamentaltheologie in Bonn inne, von 1963 bis 1966 war er Professor am Seminar für Dogmatik und Dogmengeschichte in Münster und von 1966 bis 1969 in Tübingen. Aus Vorlesungen aus dieser Zeit für die Hörer aller Fakultäten entstand sein 1968 veröffentlichtes Buch «Einführung in das Christentum», das zu einem Standardwerk in der Theologie wurde. Es verbindet die Auslegung des Glaubens mit der historisch-kritischen Bibelexegese. 1969 nahm er den Ruf als Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an die Universität Regensburg an; seit seiner Berufung zum Erzbischof ist er Honorarprofessor in Regensburg.

Reformwilliger Theologe
Eine von Ratzinger verfasste Rede, die der Kölner Erzbischof Kardinal Frings in der Vorbereitungsphase zum Zweiten Vatikanum in Genua hielt, richtete sich gegen die neoscholastische Erstarrung Roms und gegen Missstände im Heiligen Offizium. Frings zog Ratzinger während des Vatikanums als seinen Berater und Redenschreiber hinzu. Aufgrund eines von ihm am Abend vor Konzilsbeginn gehaltenen Referats wurde das von der vorbereitenden Konzilskommission vorgelegten Schema «De fontibus revelationis» verworfen und die Konstitution «Dei verbum» erarbeitet. 1963 ernannte ihn Paul VI. zum Konzilstheologen (Peritus); Ratzinger vertrat dabei eine reformfreudige Auffassung. Zusammen mit Walter Kasper, Karl Lehmann, Karl Rahner und anderen forderte er im Februar 1970 mit dem «Memorandum zur Zölibatsdiskussion» eine Überprüfung und differenziertere Betrachtung der Zölibatsvorschriften.

Im Jahr 1972 gründete er gemeinsam mit Hans Urs von Balthasar, Henri de Lubac und anderen grossen Theologen die theologische Zeitschrift «Communio». Diese kann als Gegenprojekt zur Zeitschrift «Concilium» verstanden werden; es ging um das Ringen um die dem Selbstverständnis der Kirche gemässe Deutung der zentralen Aussagen der Konzilstexte.

Von München nach Rom
Am 25. März 1977 ernannte ihn Papst Paul VI. zum Erzbischof von München und Freising; am 28. Mai empfing Ratzinger die Bischofsweihe. Als Wahlspruch wählte er «Cooperatores veritatis» (Mitarbeiter der Wahrheit, 3 Joh 8). Bereits einen Monat später wurde er am 27. Juni 1977 als Kardinalpriester mit der Titelkirche «Santa Maria Consolatrice al Tiburtino» in das Kardinalskollegium aufgenommen.

Papst Johannes Paul II. beabsichtigte gleich am Anfang seines Pontifikates (1978), Kardinal Ratzinger zum Präfekten der Kongregation für die Glaubenslehre zu ernennen. Ratzinger bat um Bedenkzeit. Drei Jahre später akzeptierte er die wiederholt an ihn herangetragene Berufung. Johannes Paul II. sicherte ihm zu, dass er weiterhin persönliche Schriften veröffentlichen könne. Kardinal Ratzinger wurde am 25. November 1981 durch Papst Johannes Paul II. zum Präfekten der Glaubenskongregation ernannt. In der Folge legte er am 15. Februar 1982 das Amt als Erzbischof nieder und trat am 1. März 1982 sein neues Amt an.

Am 5. April 1993 erhob ihn Papst in den Rang der Kardinal-Bischöfe; dabei wurde ihm der suburbikarische Sitz von Velletri-Segni zugeteilt.

Präfekt der Glaubenskongregation
Ratzinger trat als Präfekt der Glaubenskongregation für den priesterlichen Zölibat ein. Diese Haltung begründete er später damit, dass der Dienst des Priesters die völlige Hingabe an Gott erfordere. Er vertrat eine katholische Sexuallehre gemäss «Humanae vitae» und lehnte entsprechend Sterbehilfe und Abtreibung ab. In Deutschland war er massgeblich daran beteiligt, dass die Kirche aus dem staatlichen System der «Schwangerschaftskonfliktberatung» ausstieg – gegen den Willen der Mehrheit der deutschen Bischöfe, die in dieser Beratung einen wichtigen Beitrag zum Schutz des ungeborenen Lebens sahen. Während des Präsidentenwahlkampfs 2004 in den USA empfahl er den amerikanischen Bischöfen, katholischen Politikerinnen und Politikern, die sich für Abtreibung und Sterbehilfe einsetzten, die Kommunion zu verweigern.

Als Präfekt der Glaubenskongregation lehnte er auch die rechtliche Anerkennung gleichgeschlechtlicher Beziehungen ab. Die staatliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften in verschiedenen Ländern bezeichnete er im Dokument «Erwägungen zu den Entwürfen einer rechtlichen Anerkennung der Lebensgemeinschaften zwischen homosexuellen Personen» (2003) als «ein beunruhigendes moralisches und soziales Phänomen» (1).

Der Befreiungstheologie stand Joseph Ratzinger kritisch gegenüber: Einige Aspekte waren seiner Meinung nach nicht mit der Lehre der katholischen Kirche vereinbar, da sie grundlegende Glaubenswahrheiten leugneten, marxistische Forderungen transportierten oder Gewalt erlaubten. So erhielt z. B. der brasilianische Befreiungstheologe Leonardo Boff aufgrund seiner kritischen Äusserungen im Buch «Kirche: Charisma und Macht» (deutsch 1985) ein Jahr lang ein Rede- und Lehrverbot. 1992 musste er aufgrund einer Intervention Ratzingers die Leitung der katholischen Zeitung «Revista Vozes» abgeben.

Seine Haltung in der Frage der Ökumene wird unterschiedlich beurteilt. Er wirkte an der «Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre» (1999) mit. Im Jahr 2000 erschien jedoch das Lehrschreiben «Dominus Jesus», in welchem die Einzigkeit und die Heilsuniversalität Jesu Christi und der Kirche dargestellt wird. Darin werden  die Kirchen der Reformation als «kirchliche Gemeinschaften» bezeichnet. Konkretisiert wurde diese konziliare Aussage (vgl. Konzilsdekret «Unitatis redintegratio» 19) im Schreiben der Glaubenskongregation vom 10. Juli 2007 «Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche» (also während des Pontifikats von Benedikt XVI.): «5. Frage: Warum schreiben die Texte des Konzils und des nachfolgenden Lehramtes den Gemeinschaften, die aus der Reformation des 16. Jahrhunderts hervorgegangen sind, den Titel ‹Kirche› nicht zu? Antwort: Weil diese Gemeinschaften nach katholischer Lehre die apostolische Sukzession im Weihesakrament nicht besitzen und ihnen deshalb ein wesentliches konstitutives Element des Kircheseins fehlt.»

Weitere wichtige Amtshandlungen als Präfekt der Glaubenskongregation waren im Januar 1998 die Öffnung der zuvor streng geheimen Archive der Inquisition und Indexkongregation, die Errichtung eines eigenen Gerichtshofs an der Kongregation für die Glaubenslehre zur Verurteilung von Missbrauchstätern (2001) und damit verbunden die Verschärfung der Ausführungsbestimmungen über die entsprechenden kirchlichen Normen. Er war auch Präsident der Kommission zur Vorbereitung des «Katechismus der Katholischen Kirche» (1986–1992).

Die enorme Arbeitslast veranlasste Ratzinger, den Papst wiederholt um seine Entlassung zu bitten. Der Papst lehnte jedoch alle Rücktrittsgesuche (auch beim Erreichen des 75. Lebensjahres) ab.

2002 wurde Ratzinger zum Kardinaldekan gewählt zum Kardinalbischof von Ostia ernannt. Am 8. April 2005 stand er den Begräbnisfeierlichkeiten für Papst Johannes Paul II. in Rom vor. Er leitete als Kardinaldekan während der Sedisvakanz die täglich stattfindende Generalaudienz und stand dem Konklave vom 18. bis 19. April 2005 vor, aus dem er selbst als Papst gewählt wurde.

Am Konklave nahmen 115 Kardinäle teil. Ratzinger wurde im vierten Wahlgang gewählt. Er entschied sich für den Papstnamen Benedikt XVI. im Gedenken an Benedikt von Nursia, aber auch an Benedikt XV., den «Friedenspapst».
 

Papst Benedikt XVI.
Nach seiner Wahl erschien Papst Benedikt XVI. auf der Benediktionsloggia und wandte sich mit folgenden Worten an die Gläubigen:

«Liebe Schwestern und Brüder! Nach einem grossen Papst Johannes Paul II. haben die Herrn Kardinäle mich gewählt, einen einfachen und bescheidenen Arbeiter im Weinberg des Herrn. Mich tröstet die Tatsache, dass der Herr auch mit ungenügenden Werkzeugen zu arbeiten und zu wirken weiß. Vor allem vertraue ich mich euren Gebeten an. In der Freude des auferstandenen Herrn und im Vertrauen auf seine immerwährende Hilfe gehen wir voran. Der Herr wird uns helfen, und Maria, seine allerseligste Mutter, steht uns zur Seite. Danke.»

Seine Wahl wurde besonders in seiner Heimat Deutschland gefeiert. «Wir sind Papst» lautete die Schlagzeile der Bildzeitung.

Am Sonntag, dem 24. April 2005, erhielt Benedikt XVI. in einem feierlichen Gottesdienst den Fischering und das Pallium als Zeichen des Petrusdienstes. Dabei sprach er von einem «unerhörten Auftrag», der alles menschliche Vermögen übersteige. Er rief auch: «Die Kirche lebt, die Kirche ist jung!» Benedikt XVI. verzichtete auf eine Regierungserklärung.

Wichtige Stationen
Als Papst übergab er am 28. Juni 2005 ein Kompendium der katholischen Lehre, eine Kurzfassung des Katechismus der katholischen Kirche, der Öffentlichkeit. An dessen Fertigstellung hatte er bereits als Präfekt der Glaubenskongregation wesentlich mitgewirkt.

Im August 2005 nahm Benedikt XVI. am Weltjugendtag in Köln teil. Die fast eine Million Jugendlichen bereiteten dem neuen Papst einen begeisterten Empfang. Er besuchte am 19. August als erster Papst mit der Kölner Synagoge ein in Deutschland gelegenes jüdisches Gotteshaus und verurteilte in einer Ansprache jede Form von Antisemitismus und Rassismus.

Am 24. September empfing der Papst in Castel Gandolfo den emeritierten Tübinger Theologieprofessor Hans Küng, dem 1979 die kirchliche Lehrerlaubnis entzogen worden war, zu einer vierstündigen Privataudienz. Dabei waren aber nicht die strittigen Lehrfragen Gegenstand des Gesprächs, sondern das Projekt Weltethos und das Verhältnis von Naturwissenschaften und christlichem Glauben.

Am 11. März 2006 begann er eine lange erwartete Kurienreform und legte die Ämter mehrerer päpstlicher Räte zusammen. Kurz nach seiner Amtseinführung hatte er bereits Angelo Sodano in seinem Amt als Kardinalstaatssekretär bestätigt und seine eigene ehemalige Funktion als Vorsitzender der Kongregation für die Glaubenslehre dem damaligen Erzbischof von San Francisco, William Joseph Levada übertragen.

Im Mai 2006 kam es zu Spannungen zwischen dem Vatikan und der Volksrepublik China, da die von der Staatsführung in China autorisierte Katholisch-Patriotische Vereinigung innert zwei Wochen zwei Bischöfe geweiht hatte, ohne auf die Zustimmung des Vatikans zu warten. Der Papst, der die Vereinigung und ihre Grundsätze mit der katholischen Lehre unvereinbar hält, kritisierte später offen die Einschränkungen der Religions- und Gewissensfreiheit in China.

In seiner Eröffnungsrede der lateinamerikanischen Bischofskonferenz im brasilianischen Aparecida am 13. Mai 2007 erklärte Benedikt, dass die Christianisierung Lateinamerikas keine Oktroyierung einer fremden Kultur gewesen sei, sondern von den Ureinwohnern unbewusst herbeigesehnt worden sei. Dieser Äusserung widersprachen Repräsentanten der Indios vehement und nannten die Rede «arrogant und respektlos».

Am 26. Juni 2007 erliess Papst Benedikt XVI. das Motu Proprio «De aliquibus mutationibus in normis de electione Romani Pontificis», wonach zur Papstwahl wieder eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist.

Mit dem apostolischen Schreiben «Summorum Pontificum» (Juli 2007) erlaubte Papst Benedikt XVI. die Feier der Heiligen Messe in der ausserordentlichen Form, d. h. nach der Liturgie von 1962, unter bestimmten Voraussetzungen: den Priestern für ihre Privatmessen; als Gemeindemessen für «Institute gottgeweihten Lebens und Gesellschaften des apostolischen Lebens» und Personalpfarreien; in Ortspfarreien, wenn dort eine heimische Gruppe von Gläubigen, die der alten Messform anhängen, dauerhaft existiert. Das Schreiben stellt klar, dass die beiden Formen nicht als zwei unterschiedliche Riten, sondern als zwei unterschiedliche Ausprägungen (Usus) des einen Römischen Ritus gelten.

Während einer sechstägigen USA-Reise im Jahr 2008 äusserte er sich tief beschämt über pädophile Priester und rief die katholische Kirche in den USA nach Missbrauchsskandalen zur Reinigung und Erneuerung auf. Er traf sich auch mit Männern und Frauen, die als Kinder oder Jugendliche von Priestern missbraucht worden waren. In einer Rede vor der UNO-Vollversammlung in New York am 18. April 2008 forderte er die Vereinten Nationen zu einer Politik der vorbeugenden Konfliktlösung auf. Am Ende seiner Reise besuchte Benedikt den «Ground Zero», wo die Anschläge gegen das World Trade Center am 11. September 2001 stattgefunden hatten.

Anlässlich des 150. Todestages von Jean-Marie Vianney, dem Heiligen Pfarrer von Ars, rief Benedikt ein «Priester-Jahr» aus, das vom 19. Juni 2009 bis zum 19. Juni 2010 dauerte.

Mit dem Apostolischen Schreiben «Ubicumque et semper» errichtete Papst Benedikt XVI. am 21. September 2010 den «Päpstlichen Rat zur Förderung der Neuevangelisierung». Dieser ging am 5. Juni 2020 im «Dikasterium für die Evangelisierung» auf.

Am 11. Oktober 2011 rief Papst Benedikt XVI. ein Jahr des Glaubens aus (11. Oktober 2012 bis 24. November 2013).

In seinem Brief vom 14. April 2012 an den Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Zollitsch, ordnete Benedikt an, dass in den (deutschen) Hochgebeten die Worte «pro multis» wieder wortgetreu mit «für viele» statt «für alle» wiederzugeben seien.

Im Jahr 2012 war Benedikt XVI. von der sogenannten Vatileaks-Affäre betroffen. Der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele stahl private Dokumente aus dem Vatikan und gab diese an die Medien weiter. In einigen Unterlagen ging es um Korruptionsvorwürfe, Missmanagement, Kritik an der Leitung der Vatikanbank und eine versteckte homosexuelle Lobby innerhalb der Kurie. Der italienische Journalist Gianluigi Nuzzi veröffentlichte 2012 in seinem Buch «Sua Santità» Briefe aus dem Schreibtisch des Papstes.
Gabriele wurde am 6. Oktober 2012 des schweren Diebstahls für schuldig befunden und zu 18 Monaten Haft verurteilt. Benedikt XVI. besuchte ihn am 22. Dezember 2012 im Gefängnis. Er vergab ihm und hob die Verbüssung der Reststrafe auf.

Allgemein kann festgehalten werden, dass Papst Benedikt XVI. in seiner Amtsführung eine weniger zentralistische und auch bescheidenere Art als sein Vorgänger hatte, was sich zum Beispiel in der Rückübertragung der Seligsprechungen an die Ortskirchen zeigt.

Benedikt XVI. absolvierte 24 apostolische Auslandreisen und 31 inneritalienische Pastoralreisen.
 

Schwerpunkte seines Pontifikats

Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen
Benedikt XVI. bemühte sich um eine Annäherung an die orthodoxen Kirchen. 2006 legte er den Ehrentitel «Patriarch des Abendlandes» ab, den die Päpste ab dem 5. Jahrhundert geführt hatten.

Am 28. Juni 2008 feierte er die heilige Messe zur Eröffnung des Paulusjahres mit Bartholomäus I. Am nächsten Tag feierten sie gemeinsam den Wortgottesdienst, beide hielten eine Predigt, sprachen das Nicänische Glaubensbekenntnis auf Griechisch und erteilten zusammen den Segen.

Am 10. Juli 2007 veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre das Dokument «Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche», das mit Bezug auf Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils («Lumen Gentium», «Unitatis redintegratio» und «Orientalium Ecclesiarum») die Einzigartigkeit der römisch-katholischen Kirche betonte und in dem die orthodoxen Kirchen als «echte Teilkirchen» bezeichnet wurden: Sie stünden in der apostolischen Sukzession, es fehle ihnen aber die Gemeinschaft mit der römischen Kirche und dem Papst. Der damalige Vorsitzende des kirchlichen Aussenamtes des Moskauer Patriarchats, Metropolit Kyrill von Smolensk und Kalingrad, lobte «die Ehrlichkeit des Kirchenverständnisses des Vatikans», teile den Standpunkt des Heiligen Stuhls aber nicht.

Ökumene
Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Dokument sprach der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber von einem Rückschlag für die Ökumene. Der damalige bayerische Landesbischof Johannes Friedrich hingegen erklärte, dass man so, wie die katholische Kirche sich definiere, auch nicht Kirche sein wolle, und bewertete das Dokument entsprechend nicht als Absage an die ökumenischen Bestrebungen.

Beziehungen zum Judentum
Während des Weltjugendtags 2005 besuchte Papst Benedikt am 19. August als erster Papst die Kölner Synagoge. Er bekräftigte, den von Johannes Paul II. eingeleiteten Dialog zwischen Juden und Christen fortzusetzen und erinnerte an die gemeinsamen Wurzeln. Er nahm auch am Kaddisch, dem Totengebet für die 11 000 Kölner Juden teil, die dem Holocaust zum Opfer gefallen waren. Der damalige Vorsitzende des «Zentralrats der Juden in Deutschland», Paul Spiegel, würdigte die Rede des Papstes als hoffnungsvolles Zeichen der Verständigung zwischen Juden und Christen.

Bei seiner Reise nach Polen besuchte der Papst am 28. Mai 2006 das KZ Auschwitz-Birkenau. Überlebende des Holocausts lobten die von Benedikt gehaltene Rede. Der polnische Oberrabbiner Michael Schudrich hingegen kritisierte den Papst, da sich dieser nicht zum Thema Antisemitismus in Polen geäussert hatte. Damals wurde dem katholischen Radiosender «Radio Marvia» Antisemitismus vorgeworfen.

Im Januar 2009 hob Benedikt XVI. die 1988 ausgesprochene Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. auf, da diese in einem Schreiben den Primat des Papstes im Allgemeinen und des amtierenden Papstes im Besonderen anerkannt hatten. Sie dürfen die Sakramente wieder empfangen, bleiben aber weiterhin suspendiert. Die Aufhebung der Exkommunikation von Richard Williamson (einer dieser vier Bischöfe), der wiederholt den Holocaust geleugnet hatte, belastete die Beziehungen zwischen Heiligem Stuhl und Judentum und löste einen medial befeuerten Sturm der Entrüstung aus.

Am 28. Januar erklärte er am Ende der Generalaudienz die Vernichtung der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus als ein «Mahnmal gegen jedes Vergessen und Leugnen» und versicherte dem jüdischen Volk seine volle Solidarität. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. selbst kritisierte Williamsons Aussagen und bat den Papst um Vergebung.

Am 4. Februar 2009 veröffentlichte das Staatssekretariat des Heiligen Stuhls eine Erklärung, wonach die vier Bischöfe der Piusbruderschaft weiterhin von Priester- und Bischofsamt suspendiert seien und dass Richard Williamson «auf absolut unzweideutige und öffentliche Weise auf Distanz zu seinen Stellungnahmen zur Shoah gehen» müsse, um zu einer Funktion als Bischof in der katholischen Kirche zugelassen zu werden. Das Staatssekretariat erklärte, dass Papst Benedikt XVI. zum Zeitpunkt der Aufhebung der Exkommunikation keine Kenntnis von Williamsons Leugnung des Holocausts gehabt hätte. Dem widersprach im Sommer der Bischof von Stockholm, Anders Arborelius: Er hätte bereits im Herbst 2008 den Vatikan darüber informiert. Der vormalige Kurienkardinal Darío Castrillón Hoyos widersprach dieser Darstellung.

Der Papst lud im Februar 2009 eine Delegation der «Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations» zu einer Privataudienz ein. Dabei wiederholte er seine Verurteilung des Holocausts und betonte die unwiderrufliche Verpflichtung der Kirche zu einem respektvollen und harmonischen Umgang mit dem Volk des Bundes.

Benedikt XVI. erklärte 2010 noch einmal, dass die Exkommunikation Williamsons nicht aufgehoben hätte, hätte er Kenntnis der Holocaustleugnung gehabt.

Nach der Rücktrittserklärung Benedikts sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: «Papst Benedikt XVI. hat dem jüdisch-christlichen Verhältnis neue Impulse verliehen und es mit Herzlichkeit erfüllt.1 Weitere jüdische Stimmen lobten Papst Benedikt für seine Bemühungen um den jüdisch-christlichen Dialog.2

Im Jahr 2018 kam es nochmals zu Irritationen, als das Dokument «Gnade und Berufung ohne Reue. Anmerkungen zum Traktat ‹De Iudaeis›» von Benedikt XVI. auf Anregung durch Kardinal Kurt Koch veröffentlicht wurde. Der Berliner Rabbiner Walter Homolka erklärte, wer die Rolle des Judentums so beschreibe, baue mit am neuen Fundament für christlichen Antisemitismus. Als Antwort veröffentlichte Benedikt XVI. einen Briefwechsel mit dem Wiener Oberrabbiner Arie Folger und erklärte, dass das Judentum und Christentum für zwei Weisen der Auslegung der Schrift stünden.

Beziehungen zum Islam
Am 12. September 2006 hielt Benedikt vor Wissenschaftlern an der Universität Regensburg eine Vorlesung. Darin zitierte er eine Aussage des spätmittelalterlichen byzantinischen Kaisers Manuel II. zur Rolle der Gewalt im Islam. Dieses Zitat wurde heftig kritisiert. 138 hochrangige islamische Gelehrte widersprachen in einem offenen Brief vom 12. Oktober 2006 der Darstellung ihres Glaubens im verwendeten Zitat, traten aber für eine Fortführung des Dialogs zwischen Christentum und Islam ein.

Nach dem Türkeibesuch Papst Benedikts XVI. im Spätherbst 2006 wurde die Rede von vielen Kritikern neu beurteilt. Die islamische Zeitung «Zaman» schrieb, dass «der Dialog der Religionen nun wirklich in Gang gekommen sei» und «Die Zeit» sprach vom «Weisen im Morgenland», der «in der islamischen Welt zur wichtigsten Autorität des Westens wird».3 Kardinal Lehmann, der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte in Bezug auf die Vorlesung von Regensburg, dass es nichts zurückzunehmen oder zu entschuldigen gebe. Wenn die Diskussion um die Rede dazu gedient haben sollte, dass der Dialog zwischen Christentum und Islam ernsthafter werde, habe sie ihren guten Sinn gehabt.

Am 2. Mai 2008 empfing Papst Benedikt XVI. eine Delegation schiitischer Muslime aus dem Iran. Kurz zuvor hatten sich der Heilige Stuhl und die iranischen Theologen auf eine gemeinsame Erklärung zum Thema «Glaube und Vernunft im Christentum und im Islam» geeinigt.

Rücktritt als Papst
Am 11. Februar 2013 kündigte Benedikt XVI. während eines Konsistoriums seinen Rücktritt auf den 28. Februar 2013 an, da seine Kräfte nachlassen und er so nicht mehr in der Lage sei, den Petrusdienst in angemessener Weise auszuüben. Nach Cölestin V. (1294) war er der erste Papst, der freiwillig zurücktrat. Am 28. Februar um 20:00 Uhr schlossen die Gardisten der Schweizer Garde die Tore des Papstpalastes und verliessen ihre Posten, was der Öffentlichkeit das Ende des Pontifikats anzeigte. Er wohnte ab dann im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan.

Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs
Im März 2010 wurde bekannt, dass in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising 1980 ein Priester der Diözese Essen, der des sexuellen Missbrauchs verdächtigt wurde, als Kaplan in der Erzdiözese aufgenommen wurde, um in München eine Therapie zu absolvieren. Das Erzbistum München und Freising stellte in einer Erklärung des Vatikans vom 12. März 2010 fest: «Aufgrund der Aktenlage muss die Arbeitsgruppe des Ordinariates davon ausgehen, dass damals bekannt war, dass er diese Therapie vermutlich wegen sexueller Beziehungen zu Jungen machen sollte. 1980 wurde beschlossen, ihm Unterkunft in einem Pfarrhaus zu gewähren, damit er die Therapie wahrnehmen könne. Diesen Beschluss hat der damalige Erzbischof [Joseph Ratzinger] mit gefasst.»4 Dem Priester wurde jedoch vom damaligen Generalvikar erlaubt – gegen den Beschluss – in der Seelsorge tätig zu sein. Der Generalvikar übernahm beim Bekanntwerden des Falls die volle Verantwortung dafür.

2019 beauftragte das Erzbistum München und Freising eine Münchner Anwaltskanzlei, potenzielle Fälle aus der Zeit zwischen 1945 und 2019 zu recherchieren. Dabei erhielt der emeritierte Papst die Gelegenheit, fünf Verdachtsfälle zu kommentieren, die seine Amtszeit betrafen. Benedikt XVI. übermittelte der Kanzlei in der Folge eine 82-seitige Stellungnahme. Er erklärte, dass ihm mangels Sachkenntnis kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Er erklärte, an der oben genannten Sitzung betreffend des Priesters aus der Diözese Essen nicht teilgenommen zu haben. Die Rechtsanwälte hingegen waren aufgrund der Sitzungsprotokolle davon überzeugt.

Am 24. Januar 2022 korrigierte Benedikt XVI. seine erste Angabe und erklärte, dass er doch an der Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen habe; dabei sei es aber nur um die Unterkunft in München während dessen Therapie gegangen. Die falsche Auskunft erklärte Benedikt XVI. als Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme.

In einem Brief vom 6. Februar 2022 dankte Benedikt XVI. einer Gruppe von Freunden, die für ihn nahezu 8000 Seiten digitale Aktendokumentation und das fast 2000-seitige Gutachten lasen und analysierten und für ihn seine 82-seitige Stellungnahme verfassten. Er äusserte sein Bedauern über das dabei geschehene Versehen betreffend der Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980. Er wies den Vorwurf der Lüge klar zurück. Er brachte anschliessend «seine tiefe Scham, seinen grossen Schmerz und seine aufrichtige Bitte um Entschuldigung» gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck. Jeder einzelne Fall eines sexuellen Übergriffs sei furchtbar und nicht wieder gut zu machen.5

Dem Brief war ein «Faktencheck» beigefügt, mit dem die vier Mitarbeiter Benedikts und Verfasser der 82-seitigen Stellungnahme – die Kirchenrechtler Stefan Mückl, Helmuth Pree und Stefan Korta sowie der Rechtsanwalt Carsten Brennecke –mehrere gegen Benedikt XVI. erhobene Vorwürfe zurückweisen.
 

Enzykliken

  • Deus caritas-est (Gott ist die Liebe, 2006)
  • Spe salvi (Auf Hoffnung hin [sind wir] gerettet, 2007)
  • Caritas in veritate (Die Liebe in der Wahrheit, 2009)
  • Die Enzyklika Lumen fidei (Das Licht des Glaubens) wurde von Benedikt XVI. begonnen und von seinem Nachfolger Franziskus beendet.

2007 wurde auf Initiative seines Schülerkreises die Joseph Ratzinger Papst Benedikt-Stiftung gegründet. Ihr Ziel ist die Erschliessung seines theologischen Werks für die Öffentlichkeit und die Förderung einer Theologie in seinem Geist. Ebenfalls auf den Schülerkreis geht die Gründung der Vatikanischen Stiftung Joseph Ratzinger – Papst Benedikt XVI. zurück. Die Stiftung will das theologische und spirituelle geistige Erbe Joseph Ratzingers bewahren und fördern. Dazu verleiht sie seit 2011 alljährlich den «Joseph-Ratzinger-Preis».

Papst Benedikt XVI. beauftragte im Jahr 2007 den damaligen Bischof von Regensburg, Gerhard Ludwig Kardinal Müller, mit der Herausgabe seines gesamten theologischen Werkes bis zur Papstwahl am 19. April 2005. Daraus entstand 2008 das Institut Papst Benedikt XVI. Das Institut erfasst und erforscht die Werke Ratzingers und gibt sie unter dem Titel «Joseph Ratzinger Gesammelte Schriften» heraus.

Unter seinen über 600 Publikationen ist das Buch «Einführung in das Christentum» die wohl bekannteste. Grosse Resonanz fand seine Rede vor der Bayerischen Akademie zum Thema «Warum ich noch in der Kirche bin». Ebenfalls grosse Beachtung fand sein dreibändiges Werk «Jesus von Nazareth», in dem er historisch vielschichtigen Überlieferungen der Evangelien als eine zusammenhängende Botschaft liest, analysiert und kommentiert. Dabei verbindet er die christologisch-kanonische und die historisch-kritische Hermeneutik: Der Christus des Glaubens und der Jesus der Geschichte können nicht gegeneinander ausgespielt werden, sondern bilden eine einzige, unzertrennbare Wirklichkeit.

 


1 Benedikt-Rücktritt: «Er hat sehr gelitten unter manchen Dingen». Zeit online, 11. Februar 2013.
2 https://www.juedische-allgemeine.de/politik/kurs-der-annaeherung/. Abgerufen am 28. Dezember 2022.
3 Vgl. Benedikt XVI., Licht der Welt. Der Papst die Kirche und die Zeichen der Zeit. Ein Gespräch mit Peter Seewald. Freiburg i. Br. 2010, 124.
4 https://www.vatican.va/resources/resources_comunicato-monaco-2010_ge.html. Abgerufen am 28. Dezember 2022.
5 https://press.vatican.va/content/salastampa/it/bollettino/pubblico/2022/02/08/0092/00182.html#ted. Abgerufen am 28. Dezember 2022.


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  • user
    Helene Grichting 31.12.2022 um 15:45
    Die Kirche auf Erden hat heute einen heiligmässigen Menschen, einen grossen Theologen und Hirten, verloren, der ihr jedoch im Himmel ein umso mächtigerer Fürsprecher sein wird. Bitte für uns, Benedikt XVI!
  • user
    Martin Meier-Schnüriger 31.12.2022 um 12:20
    Ein grosser Theologe, zugleich aber ein bescheidener, demütiger Mensch und ein tiefgläubiger Katholik ist von uns gegangen; wir werden ihn sehr vermissen, sind aber überzeugt, dass er vom Himmel aus seiner und unserer Kirche all die Gnaden erbitten wird, die sie so dringend braucht.
    Requiescat in pace!