Schwerpunkte seines Pontifikats
Beziehungen zu den orthodoxen Kirchen
Benedikt XVI. bemühte sich um eine Annäherung an die orthodoxen Kirchen. 2006 legte er den Ehrentitel «Patriarch des Abendlandes» ab, den die Päpste ab dem 5. Jahrhundert geführt hatten.
Am 28. Juni 2008 feierte er die heilige Messe zur Eröffnung des Paulusjahres mit Bartholomäus I. Am nächsten Tag feierten sie gemeinsam den Wortgottesdienst, beide hielten eine Predigt, sprachen das Nicänische Glaubensbekenntnis auf Griechisch und erteilten zusammen den Segen.
Am 10. Juli 2007 veröffentlichte die Kongregation für die Glaubenslehre das Dokument «Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche», das mit Bezug auf Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils («Lumen Gentium», «Unitatis redintegratio» und «Orientalium Ecclesiarum») die Einzigartigkeit der römisch-katholischen Kirche betonte und in dem die orthodoxen Kirchen als «echte Teilkirchen» bezeichnet wurden: Sie stünden in der apostolischen Sukzession, es fehle ihnen aber die Gemeinschaft mit der römischen Kirche und dem Papst. Der damalige Vorsitzende des kirchlichen Aussenamtes des Moskauer Patriarchats, Metropolit Kyrill von Smolensk und Kalingrad, lobte «die Ehrlichkeit des Kirchenverständnisses des Vatikans», teile den Standpunkt des Heiligen Stuhls aber nicht.
Ökumene
Im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Dokument sprach der damalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Wolfgang Huber von einem Rückschlag für die Ökumene. Der damalige bayerische Landesbischof Johannes Friedrich hingegen erklärte, dass man so, wie die katholische Kirche sich definiere, auch nicht Kirche sein wolle, und bewertete das Dokument entsprechend nicht als Absage an die ökumenischen Bestrebungen.
Beziehungen zum Judentum
Während des Weltjugendtags 2005 besuchte Papst Benedikt am 19. August als erster Papst die Kölner Synagoge. Er bekräftigte, den von Johannes Paul II. eingeleiteten Dialog zwischen Juden und Christen fortzusetzen und erinnerte an die gemeinsamen Wurzeln. Er nahm auch am Kaddisch, dem Totengebet für die 11 000 Kölner Juden teil, die dem Holocaust zum Opfer gefallen waren. Der damalige Vorsitzende des «Zentralrats der Juden in Deutschland», Paul Spiegel, würdigte die Rede des Papstes als hoffnungsvolles Zeichen der Verständigung zwischen Juden und Christen.
Bei seiner Reise nach Polen besuchte der Papst am 28. Mai 2006 das KZ Auschwitz-Birkenau. Überlebende des Holocausts lobten die von Benedikt gehaltene Rede. Der polnische Oberrabbiner Michael Schudrich hingegen kritisierte den Papst, da sich dieser nicht zum Thema Antisemitismus in Polen geäussert hatte. Damals wurde dem katholischen Radiosender «Radio Marvia» Antisemitismus vorgeworfen.
Im Januar 2009 hob Benedikt XVI. die 1988 ausgesprochene Exkommunikation von vier Bischöfen der Priesterbruderschaft St. Pius X. auf, da diese in einem Schreiben den Primat des Papstes im Allgemeinen und des amtierenden Papstes im Besonderen anerkannt hatten. Sie dürfen die Sakramente wieder empfangen, bleiben aber weiterhin suspendiert. Die Aufhebung der Exkommunikation von Richard Williamson (einer dieser vier Bischöfe), der wiederholt den Holocaust geleugnet hatte, belastete die Beziehungen zwischen Heiligem Stuhl und Judentum und löste einen medial befeuerten Sturm der Entrüstung aus.
Am 28. Januar erklärte er am Ende der Generalaudienz die Vernichtung der Juden in der Zeit des Nationalsozialismus als ein «Mahnmal gegen jedes Vergessen und Leugnen» und versicherte dem jüdischen Volk seine volle Solidarität. Die Priesterbruderschaft St. Pius X. selbst kritisierte Williamsons Aussagen und bat den Papst um Vergebung.
Am 4. Februar 2009 veröffentlichte das Staatssekretariat des Heiligen Stuhls eine Erklärung, wonach die vier Bischöfe der Piusbruderschaft weiterhin von Priester- und Bischofsamt suspendiert seien und dass Richard Williamson «auf absolut unzweideutige und öffentliche Weise auf Distanz zu seinen Stellungnahmen zur Shoah gehen» müsse, um zu einer Funktion als Bischof in der katholischen Kirche zugelassen zu werden. Das Staatssekretariat erklärte, dass Papst Benedikt XVI. zum Zeitpunkt der Aufhebung der Exkommunikation keine Kenntnis von Williamsons Leugnung des Holocausts gehabt hätte. Dem widersprach im Sommer der Bischof von Stockholm, Anders Arborelius: Er hätte bereits im Herbst 2008 den Vatikan darüber informiert. Der vormalige Kurienkardinal Darío Castrillón Hoyos widersprach dieser Darstellung.
Der Papst lud im Februar 2009 eine Delegation der «Conference of Presidents of Major American Jewish Organizations» zu einer Privataudienz ein. Dabei wiederholte er seine Verurteilung des Holocausts und betonte die unwiderrufliche Verpflichtung der Kirche zu einem respektvollen und harmonischen Umgang mit dem Volk des Bundes.
Benedikt XVI. erklärte 2010 noch einmal, dass die Exkommunikation Williamsons nicht aufgehoben hätte, hätte er Kenntnis der Holocaustleugnung gehabt.
Nach der Rücktrittserklärung Benedikts sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland: «Papst Benedikt XVI. hat dem jüdisch-christlichen Verhältnis neue Impulse verliehen und es mit Herzlichkeit erfüllt.1 Weitere jüdische Stimmen lobten Papst Benedikt für seine Bemühungen um den jüdisch-christlichen Dialog.2
Im Jahr 2018 kam es nochmals zu Irritationen, als das Dokument «Gnade und Berufung ohne Reue. Anmerkungen zum Traktat ‹De Iudaeis›» von Benedikt XVI. auf Anregung durch Kardinal Kurt Koch veröffentlicht wurde. Der Berliner Rabbiner Walter Homolka erklärte, wer die Rolle des Judentums so beschreibe, baue mit am neuen Fundament für christlichen Antisemitismus. Als Antwort veröffentlichte Benedikt XVI. einen Briefwechsel mit dem Wiener Oberrabbiner Arie Folger und erklärte, dass das Judentum und Christentum für zwei Weisen der Auslegung der Schrift stünden.
Beziehungen zum Islam
Am 12. September 2006 hielt Benedikt vor Wissenschaftlern an der Universität Regensburg eine Vorlesung. Darin zitierte er eine Aussage des spätmittelalterlichen byzantinischen Kaisers Manuel II. zur Rolle der Gewalt im Islam. Dieses Zitat wurde heftig kritisiert. 138 hochrangige islamische Gelehrte widersprachen in einem offenen Brief vom 12. Oktober 2006 der Darstellung ihres Glaubens im verwendeten Zitat, traten aber für eine Fortführung des Dialogs zwischen Christentum und Islam ein.
Nach dem Türkeibesuch Papst Benedikts XVI. im Spätherbst 2006 wurde die Rede von vielen Kritikern neu beurteilt. Die islamische Zeitung «Zaman» schrieb, dass «der Dialog der Religionen nun wirklich in Gang gekommen sei» und «Die Zeit» sprach vom «Weisen im Morgenland», der «in der islamischen Welt zur wichtigsten Autorität des Westens wird».3 Kardinal Lehmann, der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, erklärte in Bezug auf die Vorlesung von Regensburg, dass es nichts zurückzunehmen oder zu entschuldigen gebe. Wenn die Diskussion um die Rede dazu gedient haben sollte, dass der Dialog zwischen Christentum und Islam ernsthafter werde, habe sie ihren guten Sinn gehabt.
Am 2. Mai 2008 empfing Papst Benedikt XVI. eine Delegation schiitischer Muslime aus dem Iran. Kurz zuvor hatten sich der Heilige Stuhl und die iranischen Theologen auf eine gemeinsame Erklärung zum Thema «Glaube und Vernunft im Christentum und im Islam» geeinigt.
Rücktritt als Papst
Am 11. Februar 2013 kündigte Benedikt XVI. während eines Konsistoriums seinen Rücktritt auf den 28. Februar 2013 an, da seine Kräfte nachlassen und er so nicht mehr in der Lage sei, den Petrusdienst in angemessener Weise auszuüben. Nach Cölestin V. (1294) war er der erste Papst, der freiwillig zurücktrat. Am 28. Februar um 20:00 Uhr schlossen die Gardisten der Schweizer Garde die Tore des Papstpalastes und verliessen ihre Posten, was der Öffentlichkeit das Ende des Pontifikats anzeigte. Er wohnte ab dann im Kloster Mater Ecclesiae im Vatikan.
Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs
Im März 2010 wurde bekannt, dass in seiner Zeit als Erzbischof von München und Freising 1980 ein Priester der Diözese Essen, der des sexuellen Missbrauchs verdächtigt wurde, als Kaplan in der Erzdiözese aufgenommen wurde, um in München eine Therapie zu absolvieren. Das Erzbistum München und Freising stellte in einer Erklärung des Vatikans vom 12. März 2010 fest: «Aufgrund der Aktenlage muss die Arbeitsgruppe des Ordinariates davon ausgehen, dass damals bekannt war, dass er diese Therapie vermutlich wegen sexueller Beziehungen zu Jungen machen sollte. 1980 wurde beschlossen, ihm Unterkunft in einem Pfarrhaus zu gewähren, damit er die Therapie wahrnehmen könne. Diesen Beschluss hat der damalige Erzbischof [Joseph Ratzinger] mit gefasst.»4 Dem Priester wurde jedoch vom damaligen Generalvikar erlaubt – gegen den Beschluss – in der Seelsorge tätig zu sein. Der Generalvikar übernahm beim Bekanntwerden des Falls die volle Verantwortung dafür.
2019 beauftragte das Erzbistum München und Freising eine Münchner Anwaltskanzlei, potenzielle Fälle aus der Zeit zwischen 1945 und 2019 zu recherchieren. Dabei erhielt der emeritierte Papst die Gelegenheit, fünf Verdachtsfälle zu kommentieren, die seine Amtszeit betrafen. Benedikt XVI. übermittelte der Kanzlei in der Folge eine 82-seitige Stellungnahme. Er erklärte, dass ihm mangels Sachkenntnis kein Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Er erklärte, an der oben genannten Sitzung betreffend des Priesters aus der Diözese Essen nicht teilgenommen zu haben. Die Rechtsanwälte hingegen waren aufgrund der Sitzungsprotokolle davon überzeugt.
Am 24. Januar 2022 korrigierte Benedikt XVI. seine erste Angabe und erklärte, dass er doch an der Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 teilgenommen habe; dabei sei es aber nur um die Unterkunft in München während dessen Therapie gegangen. Die falsche Auskunft erklärte Benedikt XVI. als Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung seiner Stellungnahme.
In einem Brief vom 6. Februar 2022 dankte Benedikt XVI. einer Gruppe von Freunden, die für ihn nahezu 8000 Seiten digitale Aktendokumentation und das fast 2000-seitige Gutachten lasen und analysierten und für ihn seine 82-seitige Stellungnahme verfassten. Er äusserte sein Bedauern über das dabei geschehene Versehen betreffend der Ordinariatssitzung vom 15. Januar 1980. Er wies den Vorwurf der Lüge klar zurück. Er brachte anschliessend «seine tiefe Scham, seinen grossen Schmerz und seine aufrichtige Bitte um Entschuldigung» gegenüber allen Opfern sexuellen Missbrauchs zum Ausdruck. Jeder einzelne Fall eines sexuellen Übergriffs sei furchtbar und nicht wieder gut zu machen.5
Dem Brief war ein «Faktencheck» beigefügt, mit dem die vier Mitarbeiter Benedikts und Verfasser der 82-seitigen Stellungnahme – die Kirchenrechtler Stefan Mückl, Helmuth Pree und Stefan Korta sowie der Rechtsanwalt Carsten Brennecke –mehrere gegen Benedikt XVI. erhobene Vorwürfe zurückweisen.
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Requiescat in pace!