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Schutzengel – mein täglicher Begleiter

Das Gebet «Schutzengel mein, lass mich dir empfohlen sein» kennen viele Menschen. Auch wenn Eltern keine praktizierenden Katholiken sind, geben sie doch oft dieses Gebet ihren Kindern mit. Aber was genau wissen wir über Schutzengel? Pia Theresia Bühler spricht im Interview mit «swiss-cath.ch» über ihr Buch «Dein Schutzengel».

Wie kamen Sie auf die Idee, ein Buch über Schutzengel zu schreiben?
Im Jahre 2002 habe ich das Buch «Tugenden – Werte zum Leben» veröffentlicht. Nach einer Schreibpause spürte ich einige Jahre später den Drang, erneut ein Buch zu schreiben, wusste aber nicht, zu welchem Thema und bat in meinen Exerzitien um Gottes Licht, um klar zu sehen. Bereits am ersten Tag erhielt ich die Inspiration.
Während meiner Arbeit als Moderatorin bei «Radio Maria» durfte ich öfters Zeugnisse von Menschen hören, die von einem Erlebnis mit ihrem Schutzengel erzählten. Wie genoss ich es damals, diesen persönlichen Geschichten zuzuhören – von Menschen wie du und ich, mit einem riesigen Vertrauen in ihren Schutzengel. Sie beflügelten gleichzeitig meine persönliche Freundschaft zum Schutzengel.
So kam mir die Idee, auch andere Menschen an diesen Erlebnissen teilhaben zu lassen. Die Wunderwerke Gottes soll man ja nicht verstecken, sondern ans Licht bringen, damit sie überall bekannt werden. Also begann ich von meinem Vorhaben zu erzählen. «Hast du ein Erlebnis mit deinem Schutzengel gehabt? Möchtest du es aufschreiben?» Diese Frage richtete ich an Bekannte und Unbekannte. Zahlreiche Menschen haben mir ihre Geschichte zugeschickt oder erzählt und mir erlaubt, sie in diesem Buch wiederzugeben. Es interessierte mich aber auch, was Heilige und bekannte Persönlichkeiten der letzten Jahrhunderte über die Engel sagen, wie z. B. der heilige Thomas von Aquin, die heilige Franziska Romana, die heilige Gemma Galgani, der heilige Pater Pio von Pietrelcina oder die ehrwürdige Schwester Maria Antônia Cony. Gedanken und Zeugnisse von mehr als 40 bekannten Persönlichkeiten habe ich gesammelt. Auch Engel-Katechesen von Papst Johannes Paul II., Schutzengelbücher und -gebete sind im Buch zu finden.

Schutzengel sind durch die Esoterik etwas in Misskredit gefallen. Was unterscheidet die Schutzengel von den Engeln der Esoterik?
In der Esoterikszene findet sich keine allgemeingültige systematische Engellehre und je nach Anbieter wird Verschiedenes behauptet. Ich möchte hier die wichtigsten Gedanken des Esoterik-Spezialisten Pater Dr. Clemens Pilar nennen.[1]
Anders als in der Bibel werden die Engel nicht als Geschöpfe Gottes verstanden, sondern als «Emanationen» einer universellen göttlichen Energie. Zuweilen wird auch gelehrt, dass die Existenz als Engel eine Stufe jedes Wesens – somit auch des Menschen – ist, das sich durch zahllose Reinkarnationen schliesslich mit dem Göttlichen vereint.
Botschaften von Engeln sollen auf mediale Weise empfangen («gechannelt») werden. Spezielle Engelmedien bieten sich für diese Dienste an.
Engel werden vor allem als Wesen höherer «Energie» oder «Schwingung» beschrieben, die durch ihre «energetischen Wirkungen» den Menschen helfen sollen.
Mithilfe von Engeln werden angeblich magische Gegenstände hergestellt: Engelessenzen, Engelamulette, Engelkarten u. v. m.
Engel werden in magischen Ritualen gerufen und sollen der persönlichen Wunscherfüllung dienen.

Doch jeder magische Umgang mit Engeln, sei es durch rituelle Beschwörung, um sie als Wunscherfüller zu gewinnen, die Benutzung von Engelamuletten oder das Tragen von Gegenständen, die von Engeln angeblich «energetisiert» wurden, widerspricht dem christlichen Glauben.
Ebenso gehört der mediale Umgang mit Engeln, um von diesen Botschaften und Lebensrat zu erhalten, in den Bereich des Spiritismus und darf von Christen nicht praktiziert werden.
In den biblischen Bildern werden die Engel als jene geistigen Wesen beschrieben, die den «Hofstaat Gottes» bilden. Die Visionen der Propheten zeigen besondere Engel: Die Seraphim und Kerubim als mächtige Geistwesen, die um den Thron Gottes stehen und Gott in ihren Lobgesängen verherrlichen (vgl. Jes 6,1–13; Ez 10,1–22). Dem Menschen begegnen sie in den Texten der Bibel als Boten, die den Willen Gottes mitteilen, oder auch als schützende Begleiter. Schon im Alten Testament wird von schützenden Engeln für die Völker gesprochen.

Der Katechismus der Katholischen Kirche fasst die Engellehre in kurzen Sätzen zusammen:
«Die Engel sind geistige Geschöpfe, die Gott unablässig verherrlichen und seinem Heilsplan für die anderen Geschöpfe dienen: ‹Bei allen unseren guten Werken wirken die Engel mit› (Thomas v. Aquin s. th. 1,114,3, ad 3).
Die Engel umgeben Christus, ihren Herrn. Sie dienen ihm insbesondere bei der Erfüllung seiner Heilssendung für die Menschen.
Die Kirche verehrt die Engel, die der Kirche auf ihrem irdischen Pilgerweg beistehen und jeden Menschen beschützen.» (KKK 350 bis 352)

Namentlich werden in der Kirche ausschliesslich die drei in der Bibel genannten Erzengel verehrt: Michael, Raphael und Gabriel. Das römische Konzil im Jahre 745 unter Papst Zacharias verbot die Anrufung von Engelwesen anderen Namens.

Schutzengel kennen wir vor allem durch das Buch Tobit. Gibt es noch andere Bibelstellen, die von Schutzengeln sprechen?
Schon im Psalm 90 preist König David: «Gott hat seinen Engeln deinetwegen befohlen, dich zu behüten auf all deinen Wegen; sie sollen auf ihren Händen dich tragen, dass dein Fuss an keinen Stein stosse.»
Auch im Psalm 91 verspricht der Herr den Schutz der Engel: «Dir begegnet kein Unheil, deinem Zelt naht keine Plage. Denn er befiehlt seinen Engeln, dich zu behüten auf all deinen Wegen. Sie tragen dich auf Händen, damit dein Fuss nicht an einen Stein stösst; du schreitest über Löwen und Nattern, trittst auf junge Löwen und Drachen.»
Die Bibel berichtet, dass Engel Daniel, Jakob, Judith und Josua beistanden. Jakob segnete seine Enkel, die Söhne Josephs, mit den Worten: «Möge der Engel, der mich von allem Bösen befreit hat, diese jungen Leute segnen.» Mose und den Israeliten versprach der Herr: «Ich werde einen Engel schicken, der dir vorausgeht. Er soll dich auf dem Weg beschützen und dich an den Ort bringen, den ich bestimmt habe. Achte auf ihn und hör auf seine Stimme! Widersetz dich ihm nicht! Er würde es nicht ertragen, wenn ihr euch auflehnt; denn in ihm ist mein Name gegenwärtig. Wenn du auf seine Stimme hörst und alles tust, was ich sage, dann werde ich der Feind deiner Feinde sein und alle in die Enge treiben, die dich bedrängen» (Ex 23,20–23).
Jesus selbst spricht auch von Schutzengeln: «Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters» (Mt 18,10f.).
Die Kirche glaubte stets an diese liebevolle Vorsehung Gottes. Sowohl in der Liturgie, in der Verkündigung wie auch im Lehramt der katholischen Kirche sind die Engel gegenwärtig. Seit Jahrhunderten vertrauen Menschen ihrem Schutzengel mit jener Selbstverständlichkeit, mit der man seinem allerbesten Freund vertraut.
 


Für Ihr Buch haben Sie viele Erlebnisberichte gesammelt. Gibt es eine Geschichte, die Sie besonders berührt hat?
Jede Geschichte ist einzigartig und berührt mich besonders. Die längste stammt von einer einfachen Italienerin und ist mehrere Seiten lang. Diese hat meinen Glauben an den Schutzengel und seinen Wunsch, die Menschen zu Gott zu führen, nachhaltig bestärkt. Sie hat mich auch gelehrt, dass ich feinfühliger auf ihn hören sollte, um seine Hilfe auch in die Tat umsetzen zu können. Für das Interview ist die Geschichte zu lang, aber hier eine kurze Geschichte, die besonders Ehepaare ansprechen kann:
«Es war an einem Sonntag. Mein Ehemann und ich hatten Streit und redeten deshalb nicht mehr miteinander. Als es Zeit war, in die Heilige Messe zu gehen, liefen wir schweigend ein paar Meter hintereinander zur Kirche. Ich überlegte, dass ich doch so nicht zur heiligen Kommunion gehen könne, wenn wir im Streit waren. Ich bat meinen Schutzengel, er möge sich an den Schutzengel meines Mannes wenden, damit dieser sich mit mir versöhnen möge. Im selben Augenblick drehte sich mein Mann um und sagte: ‹So geht es nicht! So können wir nicht zur Kirche! Versöhnen wir uns!› Wir waren beeindruckt, wie schnell die Engel alles miteinander regelten!!»

Bei manchen Erzählungen denkt man: Das war doch jetzt einfach Zufall.
Die Zeugen im Buch waren sich alle sicher, dass ihr Schutzengel ihnen beigestanden war. Das scheint mir wichtig. Aber noch was. Auf der Webseite «jesus.ch» habe ich den Satz gelesen: «Ein Zufall ist eigentlich nur das, was Gott Ihnen zufallen lässt!» (lacht) Dieser Satz imponiert mir. Ich denke, es gibt keine Zufälle. Wenn wir unserem Schutzengel etwas anvertrauen, bewegt er etwas, er steuert uns auf Gott zu (wenn wir uns lenken lassen!). Er überhört uns nie, aber es kann sein, dass unser Wunsch nicht in Erfüllung geht, weil er uns Gott nicht näherbringt. Alles, was passiert, ist in Gottes liebender Hand geborgen. Der Mensch denkt, aber Gott lenkt.

Haben Sie selbst auch Erfahrungen mit Ihrem Schutzengel machen dürfen? Würden Sie uns ein Erlebnis erzählen?
Seitdem ich mich so intensiv mit den Engeln befasse und daher auch mehr mit meinem Schutzengel spreche, erlebe ich sehr vieles. Er schützt mich vor Versuchungen, flüstert mir nützliche Inspirationen ein, hilft mir bei der Arbeit, warnt mich vor falschen Entscheidungen und Schritten, hilft mir Verlorenes zu finden oder im Umgang mit Menschen und in schwierigen Situationen treffende Worte zu finden und klarer zu erkennen. Er ist einfach immer da, ein wunderbarer Freund, und ich bin es mir bewusster geworden. Ein persönliches Erlebnis, das mich geprägt hat, ist folgendes:
Es geschah in einem schwierigen Moment meines Lebens. Ich wusste nicht weiter und ging spazieren, um mich bei meinem Schutzengel offen und ehrlich auszusprechen und Rat zu holen. Er ist immer ein guter Zuhörer und versteht sofort, worum es geht und wie man die innere Ruhe wiedergewinnt. Auch in scheinbar ausweglosen Situationen. Ich sage bewusst «scheinbar», denn nur einem persönlich scheinen sie ausweglos, für Gott gibt es stets eine passende Lösung.
In seiner unendlichen Liebe und Fürsorge hielt mir mein Schutzengel während jenes Spazierganges vor Augen, dass er doch derjenige ist, der mir seit meiner Existenz zur Seite steht und mich Schritt für Schritt im Leben begleitet. Haargenau kannte er meine Freuden und Leiden bis ins Kleinste, bis in die früheste Kindheit zurück, die unscheinbaren wie auch die bedeutenden Ereignisse in meinem Lebenslauf. Er verstand mich ausgezeichnet, weil er mir sehr nahe und über meine Gegenwart wie Vergangenheit bestens informiert war. Mir wurde auf einmal bewusst, wie sehr er mich seit meiner Existenz liebte, mir weiterhin zur Seite steht und mich zum Himmel geleitet, und dass ich mich ihm viel mehr anvertrauen sollte … So viel zu diesem persönlichen Erlebnis.

Teilen Sie noch ein weiteres Erlebnis mit unseren Leserinnen und Lesern?
Meine cerebral gelähmte Schwester Cecilia und ich gedachten, gemeinsam einen gemütlichen Nachmittag zu verbringen. Aus dem «gemütlich» wurde jedoch nichts. Sie in ihrem elektrischen Rollstuhl und ich an ihrer Seite nahmen diesmal einen neuen Spazierweg entlang der Aare in Bern in Angriff. Nach wenigen Metern begegnete sie bereits dem ersten Hindernis, einer kleinen Wasserrinne aus Metall, die im Waldboden eingelassen war und die sich uns quer in den Weg stellte. Meine Schwester hatte Angst, sie zu überqueren (wahrscheinlich wurde sie bereits von ihrem Schutzengel gewarnt), aber ich in meiner geistigen Taub- und Blindheit motivierte sie, einfach darüberzufahren. Wenn ich an die nächsten Sekunden denke, läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Ein Rad verfing sich in der Wasserfurche, und obwohl ich mit aller Kraft versuchte, den Rollstuhl mit ihr festzuhalten, wurde meine Schwester mit aller Wucht links die steile Böschung zum Fluss Aare hinuntergeschleudert.

Als ich hinunterschaute, sah ich meine Schwester ein paar Meter weiter gerade vor der Aare sitzen, den leeren Rollstuhl mit dem Rosenkranz daran baumelnd, und oben vor dem tiefen Abgrund einen dicken, hölzernen Querbalken. «Wie geht es dir?», rief ich meiner Schwester zu. «Gut, alles in Ordnung», entgegnete sie.

Sobald wie möglich griff jemand vom nahestehenden Restaurant zum Telefon. Meine Schwester erinnert sich noch heute, dass sie eine Entenfamilie vorbeischwimmen sah, während sie auf Hilfe wartete. Bald kamen Polizei, Feuerwehr und Sanitäter angefahren. Zuerst fragte die Polizei nach unseren Namen und dem Hergang des Unfalls. Nachdem die Feuerwehr den querliegenden Ast zersägt hatte, unter dem meine Schwester wahrscheinlich durchgerollt war (ohne ihre Brille zu verlieren, die immer noch unbeschädigt auf ihrer Nase sass!), konnten die Sanitäter meine Schwester mit einem Tragetuch heraufziehen. Danach wurde sie von den Sanitätern untersucht.

Ausser, dass sie und ihr Rollstuhl ziemlich dreckig waren, fehlte ihr nichts. Ich weiss nicht, wie sie an die Aare hinunter gelangt war, ich weiss nur, dass sie mir sagte: «Als sich das Rad des Rollstuhls in der Wasserrinne verfing, betete ich zu meinem Schutzengel: ‹Heiliger Schutzengel, hilf mir!›»
Ich dankte Gott, der Muttergottes und dem Schutzengel für diese Rettung und versuche seither, bewusster auf die Eingebungen des Schutzengels zu hören, statt meinen Kopf durchzusetzen.

In Ihrem Buch geben Sie unter anderem auch «Neun Tipps für die Freundschaft mit dem Schutzengel». Wie kam es dazu?
Da ich bei zahlreichen Heiligen den Umgang mit ihrem Schutzengel erforschte und auch mit verschiedensten Menschen über ihren Begleiter sprach, erhielt ich wertvolle Tipps für den Umgang mit dem Schutzengel. Ich begann die Anregungen niederzuschreiben, und es stellte sich heraus, dass die Zahl neun geeignet war, um diese Tipps zusammenzufassen. Die Zahl neun tritt in der Bibel im Zusammenhang mit dem Göttlichen auf. Es ist die Zahl der Vollkommenheit. Sie ist die gesteigerte, dreifache Dreiheit – damit auch Bild für die Trinität. Jesus, der Gottessohn, stirbt in der neunten Stunde am Kreuz (Mk 15,34).

Zum Abschluss hier die neun Tipps für den Umgang mit dem Schutzengel.
1. Sprich mit ihm, denn er weiss sonst nicht genau, was du brauchst. Er kennt dein Innerstes nicht so, wie Gott es kennt.
2. Sei liebenswürdig zu ihm, achte ihn hoch.
3. Höre auf ihn und tue, was er dir sagt.
4. Höre auf seine Warnungen.
5. Lass dich gern von ihm überreden.
6. Bitte ihn um das, was du nötig hast.
7. Sprich auch die anderen Schutzengel an.
8. Verbünde dich mit dem Schutzengel deines Gegenübers.
9. Bedanke dich bei Gott und bei ihm.
 

Pia Theresia Bühler ist schulische Heilpädagogin und Journalistin. Sie erteilt auch Kurse zur katholischen Glaubenslehre und christlichen Persönlichkeitsbildung. Ab Sommer wird sie die neue christliche Schule in Adliswil «Schule Faro» heilpädagogisch begleiten.
 

Pia Theresia Bühler, Dein Schutzengel. Sprich mit ihm und hör ihm zu. Erlebnisse und Zeugnisse von Menschen wie du und ich. Christiana-Verlag 2023. ISBN 978-3-7171-1367-6 Link
Das Buch kann auch während den Bürozeiten bei «Radio Maria» zum Sonderpreis von Fr. 10.– abgeholt werden (Soodring 3, 8134 Adliswil).

 


[1] Ausführliche Informationen unter nazaret.juengergemeinschaft.at/2024/04/17/informationsfolder-deutsch/


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 29.05.2024 um 16:09
    Gerne hoffe ich, dass dieser Beitrag nicht daneben liegt, meine neben dem Thema.

    Im Oktober 1994, also vor bald 30 Jahren, musste ich von einer Tagung in Stuttgart, von einer Nacht Samstag auf Sonntag, nächtlich aufbrechen, weil ich anderntags, es war tatsächlich sonntags, aber nicht Gottesdienstzeit, bei einer reformierten Gemeinde im Kanton LU als Referent über Engel angekündigt war. Natürlich hatte ich, zur Vorbereitung, die fast ganze Literatur noch für den mehrtägigen Aufenthalt in Deutschland bei mir, erhielt bei der Abfahrt übrigens noch den Reisesegen eines evangelischen Pfarrers von Wismar, früher DDR, der dort ein bedeutender Glaubenszeuge gewesen war, mit Doktorat über das Abendmahl bei Paracelsus. Die Bücher waren, bei einem noch altmodischen Fahrzeug, hinten auf der Ablage der Heckscheibe stationiert. Es war eine nächtliche Fahrt in die Schweiz, im Raum Rottweil, das früher mal ein Schweizer Kanton war, Ausbildungsstätte bedeutender auch geistlicher Persönlichkeiten.

    In diesem Raum Rottweil geschah es, dass vor mir ein extrem langsames Fahrzeug mit Anhänger, beladen mit langem schmalem Brennholz, vor mir fuhr, mit einem Rücklicht, das kaum zu sehen war. Gleichzeitig überholte mich, siehe die deutschen Autobahngeschwindigkeitsregeln, ein deutscher Sportwagen, Porsche oder Mercedes, mit rund 200 km/h., d.h. er raste von hinten uns alle überholend an uns vorbei. Überdies war es neblig und wir befanden uns auf einer Brücke mit wenig Ausweichmöglichkeiten nach links. In dieser Situation gab es kein geringeres Übel als Bremsen mit dem Risiko eines eingetretenen Auffahrumfalls, bei welcher der Holzwagen leicht beschädigt, ich aber im Bremsprozess einen Totalschaden durch Auffahren erlitt, angeschnallt, aber doch schmerzhaft lädiert. Die Pointe mit den Engeln kommt nun aber erst in die Erzählung, wiewohl fast absolute Gleichzeitigkeit mit dem Unfall vorlag. Engel sind im übrigen eher zeitunabhängige Geist-Wesen.

    Die Bücher über Engel, u.a. das grossformatige Standardwerk meines väterlichen Freundes Walter Nigg, verstorben 1988, waren alle von hinten nach vorne geflogen und bedeckten mich beim und nach dem Unfall. Wir wurden dann übrigens bald abgeschleppt, der Fahrer vor mir, auch nicht ganz koscher mit seinem überladenen Anhänger, verzichtete auf den Beizug der Polizei, die mich indes wegen Nichtbeherrschung des Fahrzeuges büsste. Es hatte so oder so Totalschaden. Den Vortrag über Engel konnte ich am Sonntag dann doch noch halten.

    Die Engelbücher an und auf meinem Körper habe immer als providentiell empfunden, ein schutzgengelhaftes Eingreifen, das man nicht wieder vergisst. War und bin weit entfernt von Engel-Esoterik. Eine der seither noch gelesenen besten Studien zum Thema war das Buch von Gerd-Klaus Kaltenbrunner (1996) über Dionysius Areopagita, den eigentlichen Klassiker über die Hierarchie des Himmels und der Engel, auch wenn es sich nicht um den Gefährten des Apostels Paulus handelte. Dessen Engel-Lehre ist zentral für unser westliches Denken, ist teilweise sogar noch in den Koran eingegangen. Für mich sind Engel selbstverständlich kein rein akademisches Thema. Das zitierte Gebet betete meine Mutter, Jahrgang 08, während vielen Jahren meiner Kindheit und Jugend mit mir. Fand es mit zunehmendem Alter etwas kindisch, heute nicht mehr.
    • user
      Meier Pirmin 29.05.2024 um 18:07
      Zum beschriebenen Unfall: Es war erstens mal keine Ausweichmöglichkeit nach links, weil dort der Porsche mit gegen 200 km/h vorbeiraste, und rechts, weil es auf einer Autobahnbrücke passierte. Der Wagen mit Anhänger vor mir war klar weniger beschädigt als der meinige, die Versicherungsabrechnung belastete hauptsächlich meine Kasko-Versicherung. Die Polizei war, da kein Alkohol im Spiel, gutmütig.