Bischof Bohdan Dzyurakh. (Bild: «Kirche in Not (ACN)»)

Interview

Ukrainischer Bischof will für seine Gläubigen in Deutschland eine eigene Diözese

Seit 65 Jahren verfügt die griechisch-katholische Kirche der Ukraine in Deutschland über eine Exarchie. Ihr Bischof Bohdan Dzyurakh will erreichen, dass sie zu einer vollwertigen Diözese aufgewertet wird.

In München berät seit Dienstag das oberste Leitungsgremium der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche (UGKK) über den Kurs der mit Rom verbundenen Ostkirche. Der Apostolische Exarch für die katholischen Ukrainer des byzantinischen Ritus in Deutschland und Skandinavien, Bischof Bohdan Dzyurakh (57), schildert im Interview mit der «Katholischen Nachrichten-Agentur» wie seine Kirche in Deutschland expandiert. Sein Ziel: Die Ostkatholiken sollen «nicht als etwas Exotisches im Schoss der lateinischen Mehrheit betrachtet werden, sondern als gleichberechtigte Brüder und Schwestern im Glauben».

Bischof Dzyurakh, wie kommt es dazu, dass die Ständige Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in Deutschland tagt?
Im Laufe der Jahre hat sich eine Tradition entwickelt, Sitzungen der Ständigen Synode in verschiedenen Eparchien [Diözesen] in der Ukraine und in der Diaspora abzuhalten. Da die UGKK de facto eine weltweite Kirche mit Strukturen auf fast allen Kontinenten ist, tragen solche Besuche des Kirchenoberhaupts und der Ständigen Synode einerseits zur Stärkung der inneren Einheit der Kirche und zur Auffrischung des kirchlichen Lebens in den verschiedenen Ländern bei. Andererseits bieten sie den Bischöfen eine einmalige Gelegenheit, den Zustand der Kirche auf lokaler Ebene besser zu erkennen, eine gemeinsame Vision der Mission der Kirche zu artikulieren und gemeinsam an der Umsetzung dieser Mission zu arbeiten.
Ebenso wichtig ist es für die Ständige Synode, den kirchlichen und gesellschaftspolitischen Kontext kennenzulernen und besser zu verstehen, in dem wir unseren pastoralen Dienst in den Ländern des Exarchats ausüben, insbesondere in Deutschland. Deshalb möchte die Ständige Synode in diesen Tagen ihres Aufenthalts in München «den Herzschlag der Kirche und der deutschen Gesellschaft verspüren», wie es das Oberhaupt unserer Kirche, Seine Seligkeit Patriarch Swjatoslaw, bei der ersten Arbeitssitzung formulierte.

Tagt das Leitungsgremium zum ersten Mal in Deutschland?
Vor genau sieben Jahren, im Mai 2017, tagte die Ständige Synode bereits in Deutschland. Damals fand sie in Freising statt, und die «Renovabis-Stiftung» der deutschen Katholiken unter der Leitung von Pater Dr. Christian Hartl war massgeblich an ihrer Durchführung beteiligt.

Welche Themen stehen jetzt auf der Tagesordnung?
In Deutschland wollen wir uns mit den Erfahrungen der Katholischen Kirche hier, insbesondere ihren Beziehungen zu Staat und Gesellschaft, besser vertraut machen und die Position deutscher politischer Kreise im Kontext der russischen militärischen Aggression gegen die Ukraine besser verstehen. Gleichzeitig wollen wir dem deutschen Volk, der Katholischen Kirche, Politikern, karitativen und ehrenamtlichen Einrichtungen sowie allen Menschen guten Willens in Deutschland unsere aufrichtige Dankbarkeit und Anerkennung aussprechen für ihre grosszügige und treue Unterstützung und Solidarität mit dem ukrainischen Volk und unserer Kirche in dieser schwierigen Zeit.

Wegen des russischen Angriffskriegs mussten in den vergangenen Jahren viele Ukrainer nach Deutschland fliehen. Hat Ihre Kirche deshalb neue Pfarreien gegründet, oder feiert sie zumindest in mehr Orten in Deutschland Gottesdienste?
Ja, natürlich. In den vergangenen Jahren haben wir in etwa 35 Ortschaften neu mit der Seelsorge begonnen. Der Bedarf ist allerdings nach wie vor weitaus grösser als unsere derzeitigen Möglichkeiten. Wir sind aber entschlossen, die Seelsorge weiter zu verstärken. Wir müssen unseren pastoralen Dienst langfristig planen, da Umfragedaten darauf hindeuten, dass ein erheblicher Teil der Flüchtlinge langfristig, wenn nicht für immer, hier bleiben wird. Und das stellt uns vor neue Herausforderungen, auf die wir wirksame und zeitnahe Antworten suchen müssen.

An wie vielen Orten ist Ihre Kirche heute vertreten?
In Deutschland haben wir derzeit 84 Gemeinden, in Skandinavien 23. Und diese Zahl wächst ständig.

Im Januar 2013 hatte Papst Benedikt XVI. die Exarchate in Grossbritannien und Frankreich zu Eparchien erhoben. Wünschen Sie sich, dass aus der Apostolischen Exarchie für Deutschland und Skandinavien ebenfalls eine richtige Diözese, also Eparchie, wird?
Ich glaube, dass die Zeit dafür reif ist. Meiner Überzeugung nach wird es ohne eine solche Änderung für uns immer schwieriger sein, unsere pastoralen Aufgaben in Deutschland und den skandinavischen Ländern zu organisieren und zu koordinieren.
Angesichts der neuen Umstände, die durch den Zustrom von über eineinhalb Millionen Flüchtlingen entstanden sind, verfügt unser Exarchat derzeit bei weitem nicht über die Versorgung, die wir benötigen. Dies zeigte auch das Beratungsverfahren einer unabhängigen Firma im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz. Jetzt warten wir auf praktische Schritte, um sowohl die grundlegende personelle und materielle Unterstützung der Aktivitäten der Exarchatskurie sicherzustellen als auch die Aufnahme neuer Priester.
Ich bin den deutschen Bischöfen unendlich dankbar für ihr bisheriges Wohlwollen und die Solidarität mit uns. Das bestärkt uns in der Hoffnung, dass uns diese dringend benötigte Hilfe in naher Zukunft gewährt wird.

Was würde sich denn konkret ändern, wenn aus Ihrem Apostolischen Exarchat eine Eparchie würde?
Das Exarchat stellt kirchenrechtlich eine Vorstufe auf dem Weg zu einer vollwertigen kirchlichen Struktur dar, zu einer Eparchie, das heisst Diözese. Diese Statusänderung würde bedeuten, dass die höchsten kirchlichen Autoritäten die vollendete Entwicklung und Reife unserer Kirchengemeinschaft in Deutschland und den skandinavischen Ländern anerkennen. Darüber hinaus würde ein solcher Schritt das Verständnis der Katholischen Kirche in Deutschland für die Besonderheiten der katholischen Ostkirchen ausdrücken, sowie die Wertschätzung ihrer Präsenz und ihres Beitrags zum kirchlichen Leben in Deutschland.
Die Anerkennung unserer Glaubensgemeinschaft als Diözese wird ein konkreter Beweis für das synodale Denken und Handeln der Katholischen Kirche in Deutschland und Skandinavien sein, wenn die Ostkatholiken nicht als etwas Exotisches im Schoss der lateinischen Mehrheit betrachtet werden, sondern als gleichberechtigte Brüder und Schwestern im Glauben.

Jetzt werden Sie erst einmal das 65-jährige Bestehen der deutschen Exarchie feiern.
Wir möchten dieses denkwürdige Datum mit einem Dankgebet begehen. Der zentrale Moment der Feierlichkeiten wird daher die Heilige Liturgie an diesem Sonntag sein, der Seine Seligkeit Patriarch Swjatoslaw in Begleitung der Bischöfe der Ständigen Synode und einzelner Gäste vorstehen wird. Im Rahmen der Feierlichkeiten treffen wir uns mit der Leitung der Ukrainischen Freien Universität, mit Vertretern ukrainischer öffentlicher und ehrenamtlicher Organisationen, mit Geistlichen, Ordensleuten und unserer Jugend, die in diesen Tagen ihren Kongress in München abhalten wird.
 

© KNA. Alle Rechte vorbehalten


KNA Katholische Nachrichten-Agentur


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 24.05.2024 um 13:08
    Man geht stillschweigend davon aus, dass die Ukraine bzw. was davon übrig bleibt den Krieg verlieren wird. Die Seelsorge betrifft diejenigen, welche im Vergleich zu dem, was es zu Hause zu tun gäbe, in Deutschland und in der Schweiz ein privilegiertes und zumindest vorläufig grosszügig unterstütztes Leben zu führen. Gilt noch gesteigert für diejenigen, die ausser mit der Bedrohung durch Putin auch mit Selensky nicht viel anfangen können, als Männer z.B, bei der Heimkehr als Feiglinge gelten würden. Die Situation war in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg, Emigranten betreffend, mit Überschneidungen. Sowieso gäbe es für die Ukraine als Staat in Europa fast nur die Schlusslicht-Perspektive. Das hört man auch von oppositionellen Russen. Immerhin ist und bleibt die religiöse Perspektive eine spezielle, da gibt es noch Spannungsfelder auch ausserhalb der Kriegs-Situation.
    • user
      Meier Pirmin 24.05.2024 um 14:32
      Ein im Vergleich von zu Hause ein privilegiertes Leben führen. So muss es heissen.

      Zu bedauern bleibt, dass der Krieg, den die meisten nicht gewollt haben, in Russland und sogar in der Ukraine viele Familien auseinanderbringt. So höre ich es von einem "gemischt" verheirateten Ehepaar.