Im Buch Genesis wird die Todesstrafe damit begründet, dass der Mensch Ebenbild Gottes ist. Wenn jemand einen Mitmenschen tötet, verdient er nach dem ersten Buch der Heiligen Schrift den Tod. Warum: Weil er die Würde, Abbild Gottes zu sein, seines Nächsten verachtet und die mit ihr verbundene Unantastbarkeit nicht respektiert hat. Durch den Mord verwirkt er (latae sententiae) das eigene Lebensrecht. Er wird mit dem Tod bestraft. Die Todesstrafe wird hier also mit der Würde des Menschen als Abbild Gottes begründet, während sie im Dokument des «Dikasteriums für die Glaubenslehre» mit dem gleichen Argument abgelehnt wird. Das ist ein Widerspruch.
Papst Franziskus und sein Schützling und Ghostwriter Kardinal Fernández rücken mit ihrer Position von der Tradition ab und legen sich mit grossen katholischen Gelehrten an, die diesbezüglich anders gedacht und die traditionelle Lehre vom gerechten Krieg wie auch von der Todesstrafe mit Kriterien der Gerechtigkeit rational und offenbarungstheologisch begründet haben. Mit ihren Argumenten müsste man sich auseinandersetzen und dagegen bessere liefern. Aber darauf wartet man vergeblich.
Womit ist also die Selbstverteidigung der Ukraine noch zu begründen, wenn Kriegshandlungen bzw. Kriege in keinem Fall – also auch nicht zur Selbstverteidigung – gerechtfertigt werden können (vgl. die traditionelle Lehre vom gerechten Krieg). Dafür muss es objektive und rationale Kriterien geben. Die traditionelle Lehre der Kirche hat sie geliefert. Heute überschreibt man einfach den Katechismus. Ich bin kein Freund der Todesstrafe, und die Erfahrung, wie und von wem sie weltweit in Geschichte und Gegenwart praktiziert wurde bzw. wird, geben Anlass, sie in Frage zu stellen und sie in dieser Form abzulehnen. Wer sie aber als ultima ratio in jedem Fall ächtet, legt sich mit dem Wort Gottes und darauf basierend mit der Lehrtradition der Kirche an. Er geht davon aus, es heute besser zu wissen. Zweifel sind angebracht.
Zur Erinnerung (KKK 1997/2003):
«2267 Unter der Voraussetzung, dass die Identität und die Verantwortung des Schuldigen mit ganzer Sicherheit feststeht, schliesst die überlieferte Lehre der Kirche den Rückgriff auf die Todesstrafe nicht aus, wenn dies der einzig gangbare Weg wäre, um das Leben von Menschen wirksam gegen einen ungerechten Angreifer zu verteidigen. Wenn aber unblutige Mittel hinreichen, um die Sicherheit der Personen gegen den Angreifer zu verteidigen und zu schützen, hat sich die Autorität an diese Mittel zu halten, denn sie entsprechen besser den konkreten Bedingungen des Gemeinwohls und sind der Menschenwürde angemessener. Infolge der Möglichkeiten, über die der Staat verfügt, um das Verbrechen wirksam zu unterdrücken und den Täter unschädlich zu machen, ohne ihm endgültig die Möglichkeit der Besserung zu nehmen, sind jedoch heute die Fälle, in denen die Beseitigung des Schuldigen absolut notwendig ist, ‹schon sehr selten oder praktisch überhaupt nicht mehr gegeben› (EV 56).»
«2309 Die Bedingungen, unter denen es einem Volk gestattet ist, sich in Notwehr militärisch zu verteidigen, sind genau einzuhalten. Eine solche Entscheidung ist so schwerwiegend, dass sie nur unter den folgenden strengen Bedingungen, die gleichzeitig gegeben sein müssen, sittlich vertretbar ist:
- Der Schaden, der der Nation oder der Völkergemeinschaft durch den Angreifer zugefügt wird, muss sicher feststehen, schwerwiegend und von Dauer sein.
- Alle anderen Mittel, dem Schaden ein Ende zu machen, müssen sich als undurchführbar oder wirkungslos erwiesen haben.
- Es muss ernsthafte Aussicht auf Erfolg bestehen.
- Der Gebrauch von Waffen darf nicht Schäden und Wirren mit sich bringen, die schlimmer sind als das zu beseitigende Übel. Beim Urteil darüber, ob diese Bedingung erfüllt ist, ist sorgfältig auf die gewaltige Zerstörungskraft der modernen Waffen zu achten.»
Gastkommentare spiegeln die Auffassungen ihrer Autorinnen und Autoren wider.
«Dignitas infinita» zur Todesstrafe:
«Auch das Thema Todesstrafe muss hier erwähnt werden: Auch die letztere verletzt unter allen Umständen die unveräusserliche Würde eines jeden Menschen. Man muss im Gegenteil anerkennen: ‹Die entschiedene Ablehnung der Todesstrafe zeigt, wie weit wir die unveräusserliche Würde jedes Menschen anerkennen und akzeptieren können, dass auch er seinen Platz in dieser Welt hat. Denn wenn ich ihn nicht dem schlimmsten aller Kriminellen abstreite, werde ich ihn niemandem absprechen. Ich werde allen die Möglichkeit geben, diesen Planeten mit mir zu teilen, ungeachtet dessen, was uns trennen mag› (Franziskus, «Fratelli tutti », 269)».
Kommentare und Antworten
Bemerkungen :
Bei der Scholastik, deren gewaltige Verdienste für die Logik nach I.M. Bochenski (Freiburg), dem seinerzeit bedeutendsten in der Schweiz wirkenden Professor für die logisch-analytischen Grundlagen der Philosophie dokumentiert wurden. Der Scholastik verdanken wir, gemäss dem Standardwerk "Einführung in die Logik" von Bochenski-Schüler Albert Menne, Errungenschaften feinster Begriffsunterscheidung, welche in ihrerTragweite zum Teil erst bei der elektronischen Datenverarbeitung auch praktisch umgesetzt werden konnten. Zuvor sprach man von "scholastischer Spitzfindigkeit" im Zusammenhang mit der keineswegs dummen Frage, wieviele Engel auf einer Stecknadelspitze Platz fänden und dergleichen, womit der Anfänger auf die totale Andersartigkeit der geistigen Welt hingewiesen wurde.
Dabei war schon die Frage falsch gestellt, wie der Logiklehrer gesagt hätte; gilt auch für die Frage, ob man mit dem "Leib Christi" Fleisch esse, was zur Zeit der Reformation intensiv diskutiert wurde. Warum? Weil damals, wie die Kirchenhistoriker nicht müde wurden zu betonen, die Scholastik in einem dramatischen Niedergang waren; ehrlich gesagt hat deswegen keiner der Reformatoren und nicht mal der Arzt und Theologe der Ernährung, Paracelsus, das Dogma der Transsubstantiation verstanden, also schon mehr oder weniger der Wissensstand im heutigen Religonsunterricht, wenn es diesen überhaupt noch gibt. Der Niedergang der Scholastik setzte aber schon bei den Professoren ganz oben an, ehrlich gesagt damals bei Franziskanern und Dominikanern, den Eliteorden wie später bei den Jesuiten, zu denen auch unser Heiliger Vater angehörte. Bei hohem Respekt vor ihm, würdigte in der Luzerner Zeitung auch schon seinen nicht zu bestreitenden katholischen Humor, besteht der Verdacht, dass der Heilige Vater, leider auch die ihn gelegentlich kritisierenden Schweizer Jesuiten der Gegenwart, es in der Geschichte dieses Ordens nicht zu den hundert gründlichsten Denkern schaffen. SJ hiess früher, wenn auch mehr humoristisch, "Schlaue Jungen".
Über die "Endlichkeit" der Menschenwürde hat sich mit leider höchst zutreffenden Argumenten der Lieblingsphilosoph des Humoristen Wilhelm Busch ausgelassen. Selber engagierte ich mich erfolgreich im AG Verfassungsrat für die "Würde der Kreatur", einen Begriff, der erstmals bei Karl Barth auftaucht. Diese ist, den Tierschutz betreffend, auch im biblischen Sinn klar begrenzt. So weit aber der Mensch Kreatur ist, nach Meister Eckhart näher der Mücke als Gott, kann theologisch auch nicht von einer "unendlichen Würde" gesprochen werden. Abgesehen davon, dass nicht nur für den Feminismus die Würde des Embryos im Rahmen einer Einsprüchen nicht zugelassenen unbegrenzt willkürlichen Entscheidungsmöglichkeit unter der Würde des Eisvogels oder der Weinbergschnecke oder des Wolfes anzusetzen ist. Dass freilich der Mensch dem Menschen ein Wolf sei (Thomas Hobbes), ist gemäss dem Logik-Lehrbuch meines einstigen Philosophielehrers P. Rafael Fäh als "metaphorische Analogie" zu verstehen. Als möglicherweise unendlich hat jedoch Albert Einstein die "menschliche Dummheit" eingeschätzt. Deren Unendlichkeit sei sogar wahrscheinlicher als diejenige des Weltalls.
Der Inhalt des Katechismus kann von keinem Papst verändert werden und dazu sollte jeder Katholik stehen!
Als Nächstes will es einem nicht so recht über die Lippen, weil gewisse schlaue Drahtzieher genau wissen, dass sie es mit irgendwelchen schwierigen Themen verknüpfen müssen. Da tut es richtig gut, wenn einer Klartext redet.