Sr. M. Anastasia Franz. (Bild: zVg)

Interview

«Unser ganzes Leben ist Gebet»

Die Zisterzienserinnenabtei Mariastern-Gwiggen in Vorarlberg ist das Nachfolgekloster von drei 1848 aufgehobenen Thurgauer Klöstern. Sr. M. Anastasia Franz arbeitete als Pastoralassistentin in Arbon TG, als ihre Berufung sie nach Gwiggen führte.

Wie kommt es, dass Sie als Schweizerin in Österreich ins Kloster Mariastern eingetreten sind?
Ich habe nach meinem Theologiestudium in Arbon am schönen Bodensee als Pastoralassistentin gearbeitet. Ich hatte mir schon früher überlegt, in ein Kloster einzutreten, doch es sollte noch nicht sein.
Wir haben damals in der Pfarrei das Firmalter auf 16 Jahre angehoben und die Firmvorbereitung neu konzipiert. Dabei überlegten wir auch, welche Angebote und Projekte wir anbieten könnten. Neben vielen anderen tollen Ideen kam auch der Gedanke an einen Klosterbesuch auf. Ich erklärte mich bereit, dieses Angebot zu betreuen, dachte dabei aber an ein Kloster in der Schweiz. Ich erfuhr dann von der Teamleitung, dass es gleich nach der österreichischen Grenze ein Zisterzienserinnenkloster gäbe. Die Schwestern würden sogar regelmässig Theater spielen, das wäre doch etwas für die Jugendlichen.

Wussten Sie bei diesem ersten Besuch im Kloster Mariastern bereits, dass Sie hier eintreten werden?
Der Besuch mit den Firmanden fand im November 2005 statt. Es war neblig und «ungemütlich». Ich dachte in diesem Moment nur: Ein Kloster mehr gesehen, eine Berufungsgeschichte mehr gehört. Gleichzeitig fand ich, das Kloster eigne sich für stille Tage, da es in der Nähe von Arbon ist. So habe ich dann später wirklich ein paar Tage dort verbracht. Anscheinend habe ich in der geistlichen Begleitung mehr vom Kloster Mariastern erzählt, als mir bewusst war. Mein geistlicher Begleiter schlug mir vor, in den Sommerferien drei Wochen in Gwiggen zu verbringen. Da ich mich bereits in einem anderen Kloster für eine Auszeit angemeldet hatte, wollte ich das zunächst nicht. Doch mein geistlicher Begleiter blieb fest.

Im Sommer sah es erst so aus, als würde der Besuch ins Wasser fallen, da ich – mitten im Hochsommer – Angina bekam. So konnte ich anstatt für drei Wochen nur für 12 Tage nach Gwiggen fahren. Am ersten Tag hörte ich in der Heiligen Messe das Evangelium vom Schatz im Acker und der kostbaren Perle. Das traf mich mitten ins Herz und ich spürte, dass hier mein Platz ist. Ich wusste von meinem früheren Besuch bereits, dass die Schwestern verschiedene pastorale Angebote für Aussenstehende hatten, das hat mir als Theologin den Eintritt in ein kontemplatives Kloster erleichtert.

Der Entscheid war damit bereits gefallen und ich habe dies auch der damaligen Äbtissin, der kürzlich verstorbenen Mutter Hildegard, mitgeteilt. Wir haben provisorisch den 6. Januar des kommenden Jahres für meinen Eintritt abgemacht.

Mit Ihrem Eintritt ins Kloster waren auch die Kündigungen der Arbeitsstelle und der Wohnung verbunden, der Umzug in ein anderes Land, die Aufgabe vieler persönlicher Kontakte …
Ja, ich habe dann relativ schnell meine direkten Vorgesetzten und den Arbeitgeber informiert und angefangenen, die ersten Kündigungen von Versicherungen usw. zu schreiben. Die letzten Monate in der Pfarrei waren arbeitsreich und intensiv. Ausserdem konnte ich meine Wohnung nicht erst per Ende Dezember kündigen, sodass ich für einen Monat an einem anderen Ort unterkommen musste. Dort wurde ich gastfreundlich empfangen, fühlte mich aber in dieser Zwischenphase trotzdem nicht wirklich wohl. Der Abschied von der Familie, meinen Freunden und Freundinnen sowie von den Menschen in meiner Pfarrei schmerzte. Der Trost für sie und mich war, dass ich hier im Kloster besucht werden kann.

Könnten Sie unseren Leserinnen und Lesern beschreiben, wie ein Klostereintritt aussieht? Sie sind ja nicht eingetreten und waren gleich eine «fertige Schwester».
Ich bin am 6. Januar 2007 ins Kloster gekommen. Mit einem einfachen Ritus wurde ich als Kandidatin aufgenommen. Während der Kandidatur durfte ich langsam ins Klosterleben hineinwachsen. So musste ich z. B noch nicht morgens um 5.15 Uhr am Chorgebet teilnehmen, sondern durfte in dieser Zeit länger schlafen. Mit der Zeit nahm ich an immer mehr Gebetszeiten teil und durfte die verschiedensten Aufgabenbereiche im Kloster kennenlernen. Es gab auch Unterricht für mich. Da ich Theologin bin, durfte ich noch in der Kandidatur meinerseits anderen Schwestern in Ausbildung Unterricht erteilen.

Nach der Kandidatur lag es einerseits an mir zu entscheiden, ob ich bleiben wolle, das heisst, ins Noviziat eintreten möchte. Als ich diesen Wunsch äusserte, entschieden andererseits die Schwestern, die mich während der Kandidatur kennengelernt haben, ob ich aufgenommen werden soll. Bei uns geht das mit weissen und schwarzen Bohnen. Wer für die Aufnahme ist, legt eine weisse Bohne in ein spezielles Gefäss, wer dagegen ist, eine schwarze Bohne. Der Konvent war mit meiner Aufnahme ins Noviziat einverstanden und ich wurde am 21. Oktober 2007 eingekleidet, das heisst, ich erhielt das weisse Ordenskleid und begann das kanonische Noviziat.

Während des Noviziatsjahres hat man nur eingeschränkten Kontakt nach aussen. Es ist eine Zeit der Vertiefung, eine Zeit des Lernens, um die Berufung für das Klosterleben und für das konkrete Kloster zu klären. Nach diesem Jahr gab es wieder eine Abstimmung und ich wurde zur zeitlichen Profess, die zunächst auf drei Jahre erfolgt, aber verlängert werden kann, zugelassen. Bei der Profess erhielt ich das schwarze Skapulier und ich versprach Beständigkeit, klösterlichen Lebenswandel und Gehorsam nach der Regel des heiligen Benedikt. Auch diese ersten Jahre als Professschwester gehören immer noch zur Ausbildung. Deswegen behält man den weissen Schleier. Am 31. Mai 2014 habe ich die ewige Profess abgelegt. Jetzt erhielt ich den schwarzen Schleier und die Kukulle (grosser, weiter, faltenreicher Mantel für das Chorgebet) und seit diesem Zeitpunkt bin ich eine «fertige Schwester» mit allen Rechten und Pflichten. (Lacht.)

Was unterscheidet ein Zisterzienserinnenkloster von einem Benediktinerinnenkloster?
Im Mittelalter lebten die Benediktiner nicht mehr so wie zur Zeit ihrer Gründung. Sie hatten z. B. Leibeigene und lebten nicht mehr von der Arbeit der eigenen Hände. Im Kloster in Molesme (Frankreich) überlegten sich die Mönche, wie sie wieder besser nach der ursprünglichen Regel des heiligen Benedikt leben könnten. In der Folge zog Abt Robert mit zwanzig Mönchen nach Cîteaux und gründeten dort ein Kloster. Die Mönche führten ein sehr strenges Leben. Die Tradition erzählt, dass alle heiligmässige Männer waren, nur wollte niemand dort eintreten … Dann trat der heilige Bernhard von Clairvaux, unser zweiter Ordensgründer, zusammen mit dreissig Gefährten ins Kloster ein. Mit seiner Gründung in Clairvaux zwei Jahre später breitete sich der Zisterzienserorden sehr schnell in ganz Europa aus.

Unser Leben zeichnet sich durch Chorgebet, Stille und Handarbeit aus. Wenn ich unsere Schriften lese, fällt mir immer wieder auf, wie wichtig die Christusmystik für uns ist. Im Mittelalter war Christus der thronende Weltenherrscher. Unsere Zisterzienserväter und -mütter haben Christus wieder als den Geliebten, den Bräutigam der Seele entdeckt.

Aktive Klöster werden heute noch eher akzeptiert, da sie gegen aussen sichtbar etwas «leisten». Bei den kontemplativen Klöstern wird oft hinterfragt, was ihr Sinn und Zweck sein soll.
Unsere Hauptaufgabe ist das Gebet. Wir beten für die Menschen, die sich und ihre Anliegen uns anvertrauen. Das sind nicht wenige! Nach dem Nachtessen gibt es jeweils eine Zeit zum Austausch. Da werden uns oft sehr viele Gebetsanliegen, die die einzelnen Schwestern im Lauf des Tages bekommen haben, mitgeteilt. Wir beten aber auch stellvertretend für alle Menschen, die nicht beten können oder wollen für die Anliegen der Welt. Beten kann ja eigentlich jeder. Was bei uns besonders ist: Wir beten nicht nur während der vielen Gebetszeiten im Laufe des Tages – unser ganzes Leben ist Gebet. Wir vollbringen keine grossen Werke in der Welt, wir verzichten auf eine äusserliche Selbstverwirklichung, damit wir mit unserem ganzen Sein Gebet sein können.

Immer weniger Menschen fühlen eine Berufung zu einem Dienst in der Kirche oder einem geistlichen Stand. Haben Sie eine Anregung, wie es wieder mehr Berufungen geben könnte?
Man hört immer wieder, es gäbe keinen Berufungsmangel, sondern einen Gläubigenmangel. Ich bin überzeugt, dass Berufungen nur wachsen und sich entwickeln können, wenn sie einen gläubigen Nährboden haben. Gott kennt selbstverständlich verschiedene Wege, doch wenn junge Menschen auf der Suche in einer Pfarrei oder einer Gruppe Halt finden und im Glaubensleben unterstützt werden, kann diese «Gemeinschaft der Gläubigen» ihnen wirklich helfen, ihre persönliche Berufung zu finden.
 

Sr. M. Anastasia Franz ist in Solothurn aufgewachsen. Nach ihrem Studium der Theologie, Germanistik und Journalistik an der Universität Fribourg arbeitete sie als Pastoralassistentin in der Pfarrei St. Martin in Arbon. Sie lebt nun schon seit fast 18 Jahren als Schwester im Kloster Mariastern-Gwiggen.


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

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Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


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    Meier Pirmin 25.09.2024 um 14:43
    Dass die Klöster im ganzen Mittelalter und später über Leibeigene verfügten, war eine Selbstverständlichkeit des Feudalismus und ist keinesweg mit Sklaverei nicht zu verwechseln. Im Toggenburg waren selbst die Familienmitglieder von Zwinglis Eltern noch Leibeigene des Klosters St. Gallen, von denen sich der letzte erst nach 1540 freikaufte., Paracelsus von Einsiedeln, Sohn einer dortigen Leibeigenen, ein grosser Marienverehrer, über den die Paracelsusgesellschaft in Einsiedeln ab Freitag eine Tagung durchführt "Maria Sophie im Vergleich zur Orthodoxie", war lebenslang, bis zu seinem Tod in Salzburg, ein Leibeigener. Unter den Schwestern der Dominikanerinnen von St. Katharinenthal wie bei den berühmten Schwestern von Töss, auch in der Stadt Zürich, waren gerade zur Blütezeit noch viele, nämlich die stark körperlich arbeitenden Hilfsschwestern, Leibeigene, wohingegen die Chorfrauen, die eine hohe Aussteuer für den Eintritt bezahlen mussten, Freie und Adlige waren, in Töss sogar eine Prinzessin von Ungarn.

    Zum Niedergang der Klöster zur Zeit der Reformation trug der Umstand bei, dass bei guten und vornehmen Familien vielfach ledige Töchter aus "erbteschnischen" Gründen ins Kloster verlegt wurden ohne wahre Berufung, was aber im Detail komplexer zu sehen ist. Im Einzugsbereich von Zürich traf dies auf die Stadtzürcher Klöster zu, aber nicht auf das Kloster Fahr, wo trotz Besuch Zwinglis vor Ort nur wenige Schwestern austraten. Hingegen nahm im Kloster Au bei Einsiedeln der zweite Mann der Zürcher Reformation, Leo Jud, Sohn eines jüdischen Arztes aus dem Elsass mit grossen Problemen deshalb für seine nur unter Judendispens vorzunehmenden Priesterweihe, eine besonders hübsche und kluge Jungschwester als Ehefrau dann mit nach Zürich. Zuvor war er Spiritual der Schwestern in Au gewesen, mit denen er nebst der Gebete und Gesänge Bibellektüre betrieb, Die Reformatoren haben aktiv für den Klosteraustritt agitiert, so in Zürich Bullinger, der dann auch eine Klosterfrau heiratete, aber nicht sofort. Nach dem Austritt ging diese nämlich zu ihrer Mutter zurück, welche dann anstelle der Oberin ihre Vorgesetzte blieb, den zu wenig wohlhabenden Bullinger zwei Jahre bis zu ihrem Tode auf die Heiratserlaubnis warten liess, weshalb Bullinger, einige Lehrer in der Klosterschule Kappel am Albis, bei Kiltgängen nach Zürich sich im Hotel zum Storchen aufhalten musste, wo er u.a. auch Paracelsus begegnete. Zurück zur Leibeigenschaft: der Hauptunterschied zwischen Leibeigenen und Freien war nebst dem Erfordernis der Heiratserlaubnis mit Heiratsverbot gegenüber Auswärtigen (ausser man bezahlte dafür) die Erbschaftssteuer. Letztere war und bleibt eine Haupteigenschaft der familiären Unfreiheit, zumal dann, wenn das Familienvermögen bei seinem Erwerb ohnehin versteuert werden musste. Aber natürlich, da gebe ich Schwester Anastasia recht, gab es im Kloster eine Klassengesellschaft. Immerhin ist für das Nonnenbuch von St. Katharinenthal belegt, dass auch Schwestern der untersten sozialen Kategorie, sog. Sauerkraut-Stampferinnen, bei und nach der Arbeit mit Erscheinungen des Jesus-Kindes begnadet wurden. Auch unter den Gestalterinnen des Graduale von St. Katharinenthal (TG) dürfte es einen Anteil leibeigener Schwestern gegeben haben. Auch und gerade diese dürften erst recht nicht ohne finanzielle Aussteuer im Kloster aufgenommen worden sein. Nicht wenige leibeigene Familien im Alpenraum brachten es zu -Reichtum; vielfach hiessen sie Meier, Keller. Widmer, Lehner und dergleichen. Paracelsus Eltern hiessen Grätzer, genannnt Wesener., weil ein Cousin von Paracelsus es als Leibeigener immerhin zum Landvogt von Wesen brachte.
    • user
      Meier Pirmin 25.09.2024 um 18:31
      Korrektur: Der Name Grätzer betraf die Grosseltern mütterlicherseits von Paracelsus, nicht die Eltern, der Vater war ein niederadliger Arzt namens Wilhelm von Hohenheim, der eine Leibeigene aus Einsiedeln heiratete, eine Grätzer, deren Vornamen wir nicht kennen. In einem Roman hiess sie "Els Ochsner", was noch Linus Birchler veranlasste, eine Abstammung von dieser Familie anzunehmen. Warum war Paracelsus als Sohn eines Adligen ein Leibeigener? Weil das Gesetz galt, das Kind folgt der schwächeren Hand, ohnehin war wie bei Juden und Muslimen die mütterliche Abstammung damals von hoher Bedeutung. Siehe auch mütterlich bestimmte Familiennamen wie Kathriner, Greter, Elsener, die alle auf das Leibeigenensystem zurückgehen. Die von Flüe aber waren zum Beispiel freie Bauern, so wie die Obwaldner Durrer, Amschwand, Heinzer, Wyss (Schwiegervater v. Bruder Klaus) und viele andere, auch die Scheuber u. Co. von Nidwalden, die Winkelried sogar Niederadlige.