Basilika «San Clemente». (Bild: Dnalor 01, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

Weltkirche

Verborgene Juwelen der Ewigen Stadt

Rom hat viel mehr zu bieten als Petersdom und Kolosseum. Im Stadtteil Celio stehen nahe beieinander weniger bekannte, doch umso interessantere Kirchen. Zusammen ergeben sie eine spektakuläre Zeitreise.

Petersdom, Lateranbasilika und Santa Maria Maggiore sind die wohl bekanntesten der sieben offiziellen Pilgerkirchen Roms. Das ganze Jahr über sind sie Touristenmagnete, im Heiligen Jahr 2025 werden sie wohl noch mehr Menschen aus aller Welt anziehen, Warteschlangen sind da kaum vermeidbar. Und wenn man sie betritt, weiss das Auge bei so viel grossartiger Architektur und prachtvoller Ausstattung oft kaum, wohin es blicken soll.

Doch es gibt auch Kirchen in Rom, deren Charme darin besteht, dass sie mit wenig Prunk auskommen. Ihre schlichten, jahrhundertealten Gemäuer verbergen kunstvolle Fresken, die viel über das frühe Christentum aussagen. Ausserdem sind sie weniger überlaufen und können wahre Ruheoasen im Lärm der Stadt sein.

Drei von ihnen liegen im Stadtteil Celio, benannt nach dem Celius-Hügel, über den er sich erstreckt. Unweit des Kolosseums laden sie zu einer Entdeckungsreise ein, die bequem zu Fuss in Angriff genommen werden kann.

Die Kirche «San Clemente» gibt ihre Geheimnisse schrittweise preis. Äusserlich unscheinbar ins Strassengefüge eingegliedert, ist der Bau leicht zu übersehen. Durch einen Vorhof betritt man eine Kirche von ungewöhnlich schöner mittelalterlicher Baukunst, die im Wesentlichen aus dem 12. Jahrhundert stammt. Sie besticht durch ihre farbenprächtige, byzantinisch beeinflusste Apsis mit goldenen Mosaiken.

Über das rechte Seitenschiff gelangt dann, wer es weiss, in eine ungeahnte Welt im Untergrund: Die Kirche unter der Kirche. Die tiefer liegende Basilika aus dem 4. Jahrhundert wurde erst 1857 ausgegraben. Freigelegt wurden derart gut erhaltene Säulen, Gänge und Fresken, dass die Geschichte der frühen Christen auf überaus anschauliche Weise lebendig wird.

Die Zeitreise geht weiter: Noch eine Etage tiefer können Besucher archäologische Ausgrabungen des 1. Jahrhunderts erkunden. Auf labyrinthartigen Wegen finden sich Spuren des orientalischen Mithraskults, einer Münzprägestätte und ein weltliches Privathaus. Drei Mal um die Ecke eines Gangs gebogen, ist auf einmal das Glucksen von Wasser zu hören. Tief unter der Erde sprudelt eine uralte Quelle.

Zurück im Tageslicht: Ein paar Minuten bergauf befindet sich am Hang des Celio die Basilika «Santi Quattro Coronati» (Basilika der vier Gekrönten), zu der ein Augustinerinnenkloster gehört. Die Gebäude gehen ins 4. Jahrhundert zurück und werden heute noch von den Schwestern genutzt. Mehrmals in der Woche ist hier ihr zarter Gesang zu erleben, ein schönes, schlichtes Klangerlebnis.

Die Nonnen leben seit dem 16. Jahrhundert dort. Sie betreuten einst Waisenmädchen. Davon zeugt ein barockes Fresko am Eingang der Kirche, das die Verehrung der namensgebenden vier christlichen Märtyrer durch die Nonnen und Waisenmädchen zeigt. Und im vorderen linken Teil des Kirchenschiffs ist eine dunkle Klappe in der Wand zu entdecken. Er wird erzählt, dass hier mittellose Frauen ihre Säuglinge ablegten, damit sich die Schwestern um sie kümmerten. Baby-Klappen sind offensichtlich keine Erfindung unserer Zeit.
 


Aus den römischen Synodalakten von 499 ist zu entnehmen, dass die vier Märtyrer seit dem frühen 5. Jahrhundert hier verehrt worden sind. Ob es sich bei diesen vier Märtyrern um Soldaten, Steinmetze oder eine andere Gruppe von vier Personen handelte, ist nicht klar. Vermutlich verschmolzen verschiedene Legenden zu einer.

Papst Paschalis II. (1099–1118) benutzte die Kirche als Papstresidenz und lebte dort, bis die Renovierung des Lateranpalastes beendet war. 1138 wurde die Kirche Benediktinern übergeben, die mit dem Ausbau des Klosters begannen. 1245 liess Papst Innozenz IV. die Kapelle des heiligen Silvester im Kloster bauen. Die Fresken erzählen die Geschichte der sogenannten «Konstantinischen Schenkung». Ihr zufolge soll Papst Silvester Kaiser Konstantin vom Aussatz geheilt haben und dafür die geistliche Oberherrschaft über die Westhälfte des Römischen Reiches erhalten haben. Die Fresken sollten die Überordnung des Papsttums über den Kaiser betonen. So hält auf einem Bild der Kaiser die Zügel für den Papst. Über der Kapelle befindet sich die «Aula Gotic», ein Saal mit Fresken, die erst 1997 wiederentdeckt und bis 2006 restauriert worden sind.
 


Zum Abschluss des Spaziergangs die Krönung: Weitere zehn Gehminuten entfernt steht «Santo Stefano Rotondo» – ein Rundbau. Durch seine Form strahlt der Innenraum der Kirche Weite aus, das Licht ist weich, die Farbgebung in pastell- und ockerfarbenen Tönen gehalten. Seine erhabene Schönheit steht im Kontrast zu der Brutalität, die auf gut erhaltenen, detailreichen Darstellungen entlang des runden Wandgangs zu sehen ist. Die Fresken führen in drastischen Szenen die Qualen der ersten Märtyrer der Stadt Rom vor Augen.

Die Kirche wurde von Papst Simplicius (468–483) zu Ehren des ersten Märtyrers, des heiligen Stephanus, errichtet. Von den einst prächtigen Mosaiken und Marmorverkleidungen, die das Innere des Kirchenraums erstrahlen liessen, ist nur noch wenig erhalten. In der Kapelle der heiligen römischen Märtyrer Primus und Felizianus befanden sich deren Reliquien, weshalb die Kirche im Mittelalter ein wichtiges Ziel für Pilger war.

«Santo Stefano Rotondo» ist heute die Nationalkirche der ungarischen Katholiken und gehört dem «Collegium Germanicum et Hungaricum», eines der ältesten päpstlichen Kollegien in Rom, das zur Ausbildung von Seminaristen für deutschsprachige Länder gegründet wurde.


KNA/Redaktion


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  • user
    Roland Gröbli 03.06.2024 um 08:24
    Wunderbar. Vielen Dank für diesen tollen Beitrag.