(Bild: cathopic)

Weltkirche

Von intoleranter Toleranz bis zu gemeinsamem Abendmahl

Unter dem Titel «Was ist das Christentum?» (Che cos'e il Cristianesimo) erschien posthum ein Buch von Papst Benedikt XVI., das auch 16 unveröffentlichte Texte aus der Zeit nach seinem Rücktritt enthält.

Das «spirituelle Fast-Testament», wie es im Untertitel heisst, wurde von Elio Guerriero und Benedikts Privatsekretär, Erzbischof Georg Gänswein, betreut. Laut Guerriero war Benedikts zwingende Bedingung, das Buch erst nach seinem Tod herauszugeben. «Ich für meinen Teil möchte im Leben nichts mehr veröffentlichen. Die Wut der Kreise gegen mich in Deutschland ist so stark, dass das Erscheinen jedes meiner Worte sofort ein mörderisches Geschrei ihrerseits hervorruft. Das will ich mir und der Christenheit ersparen», zitiert der Herausgeber den Autor. Ein weiterer Wunsch des ehemaligen deutschen Papstes war die Erstausgabe in italienischer Sprache.

«Grossmächte der Toleranz» sind selbst intolerant
Benedikt XVI. kritisiert in einem Text ein aus seiner Sicht falsches Toleranzverständnis vieler westlicher Staaten. Die «Grossmächte der Toleranz» räumten dem Christentum die von ihnen propagierte Toleranz nicht ein, so seine Kritik. Mit ihrer «radikalen Manipulation des Menschen» und «der Verzerrung der Geschlechter durch die Gender-Ideologie» stellten sie sich klar gegen das Christentum, heisst es in einem bislang unveröffentlichten Aufsatz zum Thema «Monotheismus und Toleranz».

In dem Ende 2018 verfassten Text erklärte der ehemalige Papst weiter: «Die Intoleranz dieser scheinbaren Modernität gegenüber dem christlichen Glauben ist noch nicht in offene Verfolgung umgeschlagen, und doch zeigt sie sich in zunehmend autoritärer Weise mit dem Ziel, durch entsprechende Gesetzgebung die Auslöschung dessen zu erreichen, was wesentlich christlich ist.»

Bibel und Koran unterscheiden sich grundlegend
Der ehemalige Papst Benedikt XVI. hat sich in seinen letzten Lebensjahren weiterhin mit den grundlegenden Unterschieden von Islam und Christentum auseinandergesetzt. Im jetzt erschienen Buch kritisiert er einige gegenwärtige Versuche zum Dialog von Christen und Muslimen. Diese seien oft gekennzeichnet von der «ungenügenden Kenntnis der heiligen Schriften» beider Religionen.

Ferner sei dieser Dialog häufig «strukturell falsch aufgestellt». So werde einerseits betont, dass sowohl in der Bibel wie auch im Koran die Rede sei von der Barmherzigkeit Gottes. Daraus werde der Imperativ der Nächstenliebe abgeleitet. Dann werde aber auch festgestellt, dass sich in beiden Texten Aufrufe zur Gewalt fänden.

Und schliesslich stelle man sich gewissermassen über beide Religionen und stelle fest, dass es in beiden Gutes und Schlechtes gebe und es deshalb nötig sei, Bibel und Koran in einer Hermeneutik der Liebe zu lesen und sich mit Blick auf beide der Gewalt entgegenzustellen.

Auf diese Weise, so die Kritik des früheren Papstes, würden aber verschiedene Ebenen vermischt. Anders als die Bibel sei der Koran ein einziges Buch. Es werde von den Muslimen als direkte Inspiration Gottes angesehen und beanspruche deshalb eine von Gott ausgehende Autorität.

Die Bibel hingegen sei eine über etwa tausend Jahre gewachsene Sammlung von Schriften. Diese seien nach dem Glauben von Juden und Christen nicht unmittelbar von Gott diktiert. Ihre Autorität entwickle sich immer nur in der Interpretation des Weges, den das Volk Gottes unter seiner Führung zurückgelegt habe. Insofern sei der christliche Glaube keine «Buchreligion». Wer diese strukturellen Unterschiede betrachte, werde sich vor übereilten Parallelen zwischen den beiden Religionen hüten.

Mahlfeier mit Protestanten theologisch unmöglich
Papst Benedikt machte sich auch Gedanken zu gemeinsamen Abendmahlsfeiern von Katholiken und Protestanten. Diese hält er wegen grundlegender Unterschiede für unmöglich.

Benedikt XVI. beklagt in dem jetzt veröffentlichten Text, dass sich das Zweite Vatikanische Konzil (1962–1965) «nicht mit der grundsätzlichen Infragestellung des katholischen Priestertums durch die Reformation des 16. Jahrhunderts auseinandergesetzt» habe. Das sei eine «Wunde, die sich nun bemerkbar macht und die nach meiner Ansicht nun endlich einmal offen und grundsätzlich angegangen werden muss». Er gibt zu bedenken, dies sei «ebenso wichtig wie schwierig, weil daran das gesamte Problem der Schriftauslegung hängt, deren Hermeneutik durch Luther definiert wurde».

Benedikt XVI. sieht Luthers grundsätzlichen Fehler darin, dass er einen unüberbrückbaren Gegensatz zwischen dem Priester-Begriff des Alten Testaments und dem von Jesus gestifteten Priestertum konstruiere. Luthers gesamte Konstruktion gründe auf dem Kontrast von Gesetz und Evangelium, zwischen Rechtfertigung durch Werke und Rechtfertigung allein durch den Glauben. In Wahrheit habe aber schon die frühe Kirche das Priestertum des Alten Testaments mit den Dienstämtern des Neuen Testaments verbunden und die Rechtfertigung durch Glauben und durch Werke nicht als Gegensatz gesehen.

Wegen ihrer völlig entgegengesetzten theologischen Grundlagen «sei es ganz klar, dass ‹Abendmahl› und ‹Messe› zwei grundverschiedene Formen des Kults sind, die einander von ihrem Wesen her ausschliessen. Wer heute die Interkommunion predigt, sollte sich daran erinnern», so die posthume Mahnung des ehemaligen Papstes.

Zu innerkatholischen Streitigkeiten um das Messopfer merkte Benedikt an, bei der Liturgiereform nach 1969 hätten «Luthers Thesen unausgesprochen eine gewisse Rolle gespielt, sodass manche Kreise behaupten konnten, das Dekret des Konzils von Trient über das Messopfer sei stillschweigend abgeschafft worden». Er äusserte daher die Vermutung, dass die Härte des Widerstands gegen die Alte Messe zum Teil auch daher komme, dass manche in ihr eine nicht mehr akzeptable Vorstellung von Opfer und Sühne am Werk sahen.«

Zum Schluss seiner bislang unveröffentlichten Überlegungen hält der frühere Papst fest: »Es ist offensichtlich, dass das moderne Denken […] mit Luthers Ansatz besser zurechtkommt als mit dem katholischen. Denn eine pneumatologische Schriftauslegung, die das Alte Testament als einen Weg hin zu Jesus Christus deutet, ist für das moderne Denken beinahe unzugänglich. Aber dennoch ist klar, dass Jesus nicht im Sinne eines radikalen ‹sola fide› gedacht hat, sondern im Sinne einer Erfüllung des Gesetzes und der Propheten. Es ist Aufgabe der neuen Generation, die Voraussetzungen für ein erneuertes Verständnis dessen zu schaffen, was ich hier dargelegt habe.«


KNA/Redaktion


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    Robert Droux 20.01.2023 um 11:55
    Diese Art von katholischer Auslegung spricht mir aus der Seele. Die konsistenten Überlegungen und Auslegungen von Benedikt XVI sind für eine Religion, welche als einzige Gemeinschaft die Ewigkeit "überleben" soll bzw. wird, geradezu eine Bedingung. Alles andere ist Schall und Rauch, billige Anpassung an den Zeitgeist.
    Ich werde das Buch jedenfalls mit Interesse und auch mit der gebührender Ehrfurcht lesen. Danke Benedikt!