Heilige Maria Bernarda Bütler (Bild: Facebook)

Kirche Schweiz

Vor 100 Jah­ren starb die Schwei­zer Hei­lige Ber­narda Bütler

Von P. Gott­fried Egger OFM

Während im Kulturkampf der katholischen Kirche der Schweiz tiefe Wunden zugefügt wurden, erweckte der Herr gerade im Kanton Aargau, wo die radikale Regierung verschiedene Klöster aufgehoben hatte, zwei Frauen, die Ordensgründerinnen wurden: Mutter Bernarda Heimgartner, Gründerin der Schulschwestern vom Heiligen Kreuz in Menzingen/ZG, sie stammte aus Fislisbach,  und Mutter Bernarda Bütler aus Auw bei Muri/AG, Gründerin der Gemeinschaft der Franziskaner-Missionsschwestern von Maria Hilf. Beide Gemeinschaften gehören zum Regulierten 3. Franziskanischen Orden. Am 19. Mai jährt sich der Todestag von Mutter Bernarda zum 100. Mal.

Verena Bütler, so ihr Taufname, erblickte am 28. Mai 1848 in Auw, im aargauischen Freiamt, das Licht der Welt. Sie war das vierte von acht Kindern. Ihr Vater war Bauer und Küfer. Verena erlebte eine ruhige Kinder- und Jugendzeit. Das lebendige Mädchen tat sich allerdings in der Schule nicht so leicht, weil es sich lieber in Gottes freier Natur bewegen wollte. Nach der obligaten Schulzeit widmete sich Verena den Arbeiten in Haus, Hof und Feld. Schon als Kind fühlte sie sich stark zum Ordensleben hingezogen. So trat sie bereits mit 19 Jahren in den neugegründeten Orden der Menzinger-Schwestern ein. Hier erkannte sie jedoch bald, dass das nicht ihre Berufung war. Sie kehrte wieder ins Elternhaus zurück. Da der Klosterberuf in ihr weiter wach blieb, trat sie auf Anraten ihres geistlichen Begleiters ins Kapuzinerinnenkloster im sanktgallischen Altstätten ein. Am 4. Oktober 1869, am Fest des Ordensgründers Franziskus, legte sie als Sr. Maria Bernarda vom Heiligsten Herzen Mariae ihre Gelübde ab. Hiermit entschloss sie sich, obwohl nicht Klarissin, im Geist der hl. Klara ein kontemplatives Leben zu führen. Ihr Eifer im geistlichen Leben war so gross und echt, dass ihr sehr früh das Amt der Novizenmeisterin übertragen wurde.

Bereits mit zweiunddreissig Jahren wurde sie dann Oberin der Schwesterngemeinschaft. Umsichtig und liebevoll zu ihren Mitschwestern, brachte sie das Kloster zu neuem Aufschwung und einer tiefen Erneuerung. Im Kloster gab es kaum mehr Platz. In dieser Zeit wurde die Ewige Anbetung wieder offiziell eingeführt. Diese eucharistische Kraftquelle mag wohl auch mit ein Grund gewesen sein, dass es so viele Eintritte gab. Sr. Maria Bernarda dachte über eine Gründung eines Filialklosters nach.

Universales Wirken

Auf die Bitte des Erzbischofs von Portoviejo in Ecuador, der Missionsschwestern für ein menschlich und geistlich verwahrlostes Gebiet benötigte, erklärte sich Mutter Bernarda bereit, diesem Anruf Gottes zu folgen. Sie wollte es allerdings nicht tun ohne den Segen des Diözesanbischofs Augustin Egger, St. Gallen, dem das Kloster Maria Hilf unterstellt war. Ihm schrieb sie: «Ohne Ihren Willen und Segen will ich keinen Schritt über die Klosterpforte setzen, wenn ich auch ganz Amerika bekehren könnte.»[1] Bischof Augustin gab dazu seinen Segen.

Mit sechs Schwestern verliess Mutter Bernarda am 19. Juni 1888 das Kloster Maria Hilf und ihre liebe Schweizerheimat.  Am 22. Juni bestiegen die künftigen Missionarinnen in Le Havre den Dampfer. Am 13. Juli kam das Schiff in Puerto Cabello an, der damals zweitgrössten Hafenstadt von Venezuela, an. Nach mehreren Tagen erreichten die Reisenden Colon in Mittelamerika und von dort aus ging es weiter nach Panama, nach Manta, einer kleinen Ortschaft an der Küste von Ecuador. Zu Pferd setzten dann die Schwestern die restliche Reise fort. Es ging über Sandwüsten, Steppen, Schluchten und Wälder. Nach diesem abenteuerlichen Ritt erreichten die Pionierinnen morgens um zwei Uhr in der Frühe die Missionsstation der Benediktinerinnen von Rocafuerte. Hier fanden sie liebevolle Aufnahme.

Das erste Wirkungsfeld der Missionarinnen war Chone, eine Kleinstadt von etwa 13 000 Einwohnern. Sogleich wurde mit dem Bau eines schlichten Klösterchens begonnen. So entstand hier zwar nicht ein Filialkloster von Altstätten, sondern mit päpstlicher Dispens eine Neugründung der ‘Franziskaner-Missionsschwestern von Maria Hilf’[2].

Die Arbeit begann unter sehr schwierigen Verhältnissen und in äusserster Armut. Auch wurde die neue Missionsgemeinschaft von einem Todesfall überschattet. Eine Schwester erlag im Alter von nur 22 Jahren der Ruhr und heftigem Fieber. Das war ein besonders harter Schlag für die junge Gemeinschaft.

Bald gewannen die Schwestern das Vertrauen der Eingeborenen, die sie liebevoll ‘Madres’, Mütter, nannten. Sie brachten ihnen täglich Eier, Milch, Kaffee, Früchte und Geflügel. Von überallher kamen Kinder zum Religionsunterricht. Daneben galt es, sich der Kranken und Ausgestossenen anzunehmen. Bereits 1892 erhielt die Gründerin eine Einladung aus dem Nachbarland Kolumbien. Die Schwestern sollten eine Mädchenschule übernehmen. Hoch oben in den Cordilleren, in der Stadt Tuquerres, gründeten sieben Schwestern eine Niederlassung. Die erste Oberin war die Selige Caritas Brader[3], die Vikarin von Sr. Bernarda. 

Dem erfolgreichen Wirken der Franziskanerinnen in Ecuador sollte ein jähes Ende bereitet werden. Im Jahre 1895 brach eine Revolution im Lande aus, die den Bischof, die Priester und schliesslich auch die Ordensschwestern zur Flucht zwang.

In Kolumbien fanden die Schwestern, die nach der erwähnten Neugründung wieder auf 15 Schwestern angewachsen waren, bald ein neues Feld für ihre Berufung. Am 2. August 1895 kamen sie in Cartagena, der Bischofsstadt, in der der heilige Petrus Claver so segensreich gewirkt hatte, an.

Der dortige Bischof, Msgr. Biffi, ein gebürtiger Italiener, stellte den Missionarinnen des hl. Franz ein früheres Frauenspital zur Verfügung. Das sollte nun das künftige Mutterhaus der Franziskaner Missionarinnen von Maria Hilf werden. 1898 konnten sie bereits in einem Flügel dieses Hauses eine höhere Töchterschule mit Internat eröffnen. Mutter M. Bernarda und ihre Mitschwestern wandten sich wieder vor allem den Armen und Verlassenen zu und übten die Werke der Barmherzigkeit aus in Schulen, in der Erziehung der Jugend, in der Mithilfe in der Pastoral und in der Krankenpflege.

Mutter Oberin sandte ihre Schwestern in weite Teile Südamerikas aus, um neue Stationen zu gründen. Ein Schwerpunkt war das Amazonasgebiet in Brasilien. Mit allen Schwestern hielt sie regen Briefkontakt. Es darf uns deshalb nicht erstaunen, dass 2250 Briefe von ihr erhalten sind. Diese Briefe sind ein wertvoller Beweis dafür, dass sie ganz im Geist ihres Ordensgründers Franziskus auf das seelische und körperliche Wohl ihrer Mitschwestern bedacht war.

Ergebenheit in den Willen Gottes

Kurz vor ihrem Sterben im September 1923 sagte Jesus zu ihr[4]: «Mein Kind, möchtest du gern sterben?» Bernarda antwortete: «Mein lieber Jesus. Du kennst das Innerste meines Herzens. Ich will weder etwas wünschen noch wollen. Nur um das Einzige bitte ich, dass Du mich wachend findest, wenn Dein Ruf an mich ergeht. Ich schätze es hoch, wenn mich der Beichtvater, meine Oberin und Mitschwestern an meinem Sterbebette mit ihrem Beistand und ihren Gebeten in der Todesnot unterstützen. Doch wenn es Dir besser gefiele, meine Seele abzuberufen zu einer Stunde, wo ich ganz allein und aller menschlichen Hilfe beraubt bin, so wäre Dein Ruf in solcher Stunde der süsseste und ersehnlichste.» [5]

Am 19. Mai 1924 starb diese unermüdliche Missionarin in Cartagena.

Am 29. Oktober 1995 wurde sie in Rom mit zwei weiteren Schweizerinnen, Sr. Maria Theresia Scherer, der Gründerin der Ingenbohler Schwestern, und der Stigmatisierten Margrit Bays seliggesprochen.

Auf die Fürbitte der Seligen Mutter Bernarda wurde im Juli 2002 im ordenseigenen Spital von Cartagena, die Ärztin, Mirne Jazmie, von einer schweren Lungenkrankheit geheilt.[6]  Das Leben dieser geheilten Ärztin ist eng mit dem Leben der Heiligen verbunden. Sie arbeitete als Medizinerin in der Klinik, die die Heilige gegründet hatte und verehrte sie. Eine Mitschwester der Heiligen empfahl der Mutter der todkranken Jazmie, ein kleines Stücklein Stoff vom Ordenskleide Mutter Bernardas der Kranken aufzulegen. Die Menschen beteten die Novene zur Heiligen. Am nächsten Tag war Mirne Jazmie wieder gesund. Dieser Wunder führte dann zur Heiligsprechung am 12. Oktober 2008.

Die grosse Liebe Mutter Bernardas zur Kirche, zu ihren Mitschwestern und überhaupt zu allen Menschen wird die Zeiten überdauern. Auch wenn in diesen Monaten leider ihr Herkunftskloster Altstätten/SG aus ‘Personalmangel’ geschlossen wurde, lebt dieser Geist der grossen Ordensgründerin und Mystikerin weiter, in den über 800 Schwestern verschiedener Nationalitäten, die in Kolumbien, Brasilien, Ecuador, Venezuela, Peru, Österreich, der Schweiz, Italien, Liechtenstein und auch in Mali (Afrika) für die Ausbreitung des Gottesreiches beten und arbeiten. Die hl. Bernarda Bütler bleibt ihr grosses Vorbild. Sie selber spricht zu Jesus: «Lass mich eine Botin Deiner Liebe und Barmherzigkeit sein und allen Menschen verkünden, wie gut Du bist.»

 


[1] Eine Opferseele, Die Dienerin Gottes Maria Bernarda Bütler, Mayer Beda, Gaissau 1952, 95

[2] Das ist nun der Name dieser neuen Kongregation, deren Gründerin Mutter Bernarda ist

[3] Aus dieser Gemeinschaft entstand ein neuer Ordenszweig ‘Missionsfranziskanerinnen von Maria Immakulata’. Sr. Caritas Brader wurde 1860 in Kaltbrunn/SG geboren und 2003 von Papst Johannes Paul II. seliggesprochen. Der Sitz dieser Schwestern ist in der Schweiz in Oberriet/SG. Eine ausführlichere Biografie findet man in meinem Buch: Sie lebten wie Franz und Klara, Franziskanische Zeugnisse durch die Jahrhunderte, EOS St. Ottilien, 2016

[4] Verschiedenste geistliche Ereignisse in ihrem Leben zeigen sie als wahre Mystikerin. Ich möchte auf das interessante Werk des Priesters Urs Keusch aufmerksam machen, Nimm und schreibe, Tagebuchaufzeichnungen der hl. Mutter Bernarda Bütler, Herausgegeben. Von Urs Keusch, FE-Medien, Kisslegg 2014, ca. 390 Seiten

[5] Eine Opferseele…Mayer Beda, a.a.O. 298

[6] Vgl. …wie Gott will! Heilige Mutter Bernarda Bütler, P. Gottfried Egger OFM, Jetstetten, 2008, 44ff


P. Gottfried Egger OFM


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Bemerkungen :

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    Meier Pirmin 19.05.2024 um 08:36
    Über Jahrzehnte weibelte meine fromme Mutter, Jahrgang 1908, im Aargau mit Bildchen, Kerzen, Novenen und Mutter-Bernarda-Blättern, alles angeboten im heimischen Metzgerladen, für die Seligsprechung der nunmehr Heiligen, ein Engagement, nur noch vergleichbar mit dem eines tief befreundeten Alt-Lehrers von Auw, der sich im AG-Verfassungsrat für Kirchenfragen engagierte, bei unterschiedlichen Sichten über die Organisationsform von Landeskirchen zutiefst der gemeinsamen Überzeugung, dass die Kirche Jesu Christi bleiben werde bis ans Ende der Welt., wie verheissen.

    Wie auch immer, der väterliche Kollege aus Auw und ich, wir sind aufgewachsen mit der noch nicht kanonisierten "Mutter Bernarda", wie wir sie nannten, so wie das quasi apostolische Engagement meiner rosenkranzfleissigen Mutter, einst Damenschneiderin in Oberegg AI, mich nebst der Wallfahrt zu Bruder Klaus um die Zeit der Erstkommunion doch lebenslang für den "Einblick der Heiligen in die Geschichte" zu bewegen vermochte, wie es der badensische Dichter Reinhold Schneider mehr katholisch-intellektuell ausdrückte. Gehe ich recht, dass der Autor des Artikels, P. Gottfried Egger OFT, nicht in "Jetstetten", was mich etwas an "Jet-Set" erinnert, sondern im Grenzort Jestetten unweit Schaffhausen, heute ein "Wallfahrtsort" der Schweizer Billig-Einkäufer, seine verdienstvolle Publikation veröffentlichg hat? In Jestetten ich glaube Pfarreisaal durfte ich um die Zeit des 100. Geburtstags von Reinhold Schneider (2003) über dessen Vorstellungen vom "Europa der Kathedralen im Gegensatz zu Euratom und Euromarkt" referieren, was damals für fromme Wähler der damaligen Mehrheitspartei in Baden-Württemberg eine Perspektive war,.

    Überhaupt erwies und erweist sich der Bodenseeraum als sehr bethaft, von heiligen Frauen bevölkert, so der sagenhaften heiligen Notburga von Klettgau mit ihren Neunlingen, davon eines totgeboren, sowie der seliggesprochenen Konstanzer Konzilsheiligen, der Guten Beth von Reute, Schwester vom Dritten Orden der hl. Klaara, die vor 10 Jahren an der Ausstellung "Mystik am Bodensee" in Überlingen gewürdigt wurde, damals in Zusammenarbeit mit einem Pater Kafancke, falls ich seinen Namen richtig schreibe, einem späten Einsiedler unserer Zeit. Das Herzogtum Oberschwaben, zu dem einst der ganze Raum des alten Bistums Konstanz gehörte, ist, mit dem ausstrahlungsmächtigen heiligen Berg Bussen, Kirche eine St. Galler Gründung, eigentlich ein Paradies altalemannischer Spiritualität, die Insel Reichenau, Heimat des heiligen Meinrad von Einsiedeln, natürlich inbegriffen.
    • user
      Meier Pirmin 20.05.2024 um 06:58
      Pater Gottfried Egger gehörte oder gehört natürlich zum Orden OFM, was die franziskanischen Minoriten meint, also Kapuziner. Ursprünglich eine Spur eifriger als die herkömmlichen Franziskaner, unter denen der heilige Bonaventura, siehe ein Grundlagenwerk des späteren Papstes Benedikt XVI., als der wohl grösste Philosoph und Theologe gelten kann. Andere Verschreiber wie St. "Klaara", bedürfen, weil gleich also solche erkennbar, keiner Richtigstellung. Via Tagungen um Reinhold Schneider in Freiburg im Breisgau durfte ich übrigens Prof. Ratzinger persönlich kennenlernen. Was er dort über Christentum und Menschenrechte ausführte, war grundlegend.