Symbolbild. (Bild: Raghavendra V. Konkathi/Unsplash)

Pro Life

Wieder ein katholisches Land, das aktive Sterbehilfe zulässt.

Portugal ist nach Spanien das fünfte europäische Land, das ein lange geltendes Tabu bricht. Sehr zum Kummer des Papstes.

Das Sterben ist zum prominenten politischen Thema geworden – die Liberalisierung der Sterbehilfe und der Wunsch nach Selbstbestimmung auch im Tod liegen im Trend. Am Freitag hat auch Portugals Parlament mit grosser Mehrheit Ja zur aktiven Sterbehilfe gesagt. Bereits vier Mal hatte der sozialistische Ministerpräsident Antonio Costa versucht, die aktive Sterbehilfe in dem ehemals tief katholischen Land einzuführen. Zwei Mal sprach sich das Verfassungsgericht gegen den Gesetzesentwurf aus, zwei Mal legte der katholische Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa sein Veto ein. Laut Portugals Verfassung ist der Staatspräsident nach zweimaligem Gebrauch des Vetorechts nun verpflichtet, den Mehrheitsbeschluss des Parlaments zu akzeptieren.

Papst Franziskus äusserte sich am Samstag in einer Ansprache an Mitglieder der in Spanien beheimateten internationalen katholischen Frauengemeinschaft UMOFC: «Ich bin heute am Tag der Marienerscheinungen von Fatima sehr traurig, weil in dem Land, in dem die Jungfrau erschienen ist, ein Gesetz zum Töten in Kraft tritt. Es ist ein weiterer Schritt in der langen Liste der Länder mit Euthanasie.»

Immer tiefere Schwellen für Sterbehilfe
Im Juni 2021 hatte bereits Spanien die aktive Sterbehilfe legalisiert. Vorreiter der Kultur des Todes waren die Niederlande. Als sie 2002 als erstes Land weltweit die aktive Sterbehilfe legalisierten, äusserten Kritiker Befürchtungen vor einer schleichenden Normalisierung bei der Tötung kranker und lebensmüder Menschen. Die Befürchtungen sollten sich bewahrheiten.

Der Trend ist seither eindeutig: Nicht nur, dass Belgien im selben Jahr nachzog und Luxemburg 2009 folgte. Auch innerhalb der Niederlande haben sich Grenzen verschoben. 2021 kamen 7666 Menschen durch aktive Hilfe von Ärztinnen und Ärzten zu Tode. Das sind rund zehn Prozent mehr als 2020 und 4,5 Prozent aller Todesfälle.

In der Praxis werden die rechtlichen Grenzen ohne Skrupel überschritten. Obwohl laut niederländischem Gesetz aktive Sterbehilfe nur bei unheilbaren und unerträglichen Krankheiten erlaubt ist, akzeptieren inzwischen Ärztinnen und Ärzte auch «Lebensmüdigkeit» und eine Vielzahl an Altersgebrechen als Grund.
Seit 2005 dürfen auch missgebildete Neugeborene straffrei getötet werden. Laut einem Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2020 ist die Tötung von schwer dementen Patienten sogar dann zulässig, wenn sie zuvor eine entsprechende Patientenverfügung formuliert haben, aber sich zum Zeitpunkt der geplanten Tötung gegen die Todesspritze wehren. Im April 2023 hat Den Haag einen weiteren Schritt angekündigt – eine Ausweitung der aktiven Sterbehilfe auf Kleinkinder.

Initiativen zur gesetzlich erlaubten Tötung auf Verlangen gibt es auch in Italien und Frankreich – jenseits europäischer Grenzen ist sie auch in Kanada und Neuseeland sowie in mehreren Bundesstaaten der USA erlaubt. In Italien ist aktive Sterbehilfe zwar weiterhin verboten, aber das Verfassungsgericht hatte 2019 entschieden, dass es Ausnahmen geben kann: Wenn ein Patient nicht mehr geheilt werden kann, er von lebenserhaltenden Massnahmen abhängig ist, er körperlich und seelisch unerträgliche Schmerzen erfährt, aber noch voll in der Lage ist, freie Entscheidungen zu treffen.

In Frankreich hat Staatspräsident Emmanuel Macron eine Gesetzesinitiative zum Thema Lebensende auf den Weg gebracht. In den nächsten Monaten soll ein «französisches Modell» erarbeitet werden. Im April hatte ein «Bürgerkonvent» Forderungen dazu vorgelegt: darunter ein verbesserter Zugang zur Palliativversorgung sowie mehr Mittel für häusliche Pflege. Zudem sprachen sich die Delegierten mehrheitlich dafür aus, die Regeln zu aktiver Sterbehilfe und Beihilfe zum Suizid zu lockern.

Die Schweiz, Österreich und Deutschland gehen unterdessen einen anderen Weg – den der Suizidbeihilfe. In der Schweiz ist der assistierte Suizid seit Langem weithin akzeptiert. Die Zahl steigt seit Jahren und liegt – nur bei Schweizer Bürgerinnen und Bürgern – bei über 1200 und bei rund 1,8 Prozent aller Sterbefälle. In Österreich können dauerhaft schwer oder unheilbar kranke Erwachsene seit vergangenem Jahr Beihilfe zum Suizid in Anspruch nehmen.

Sterbehilfe als Selbstbestimmung?
Deutschland hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 einen ähnlichen Weg eingeschlagen. Die Karlsruher Richter haben ihre bisherige, dem Lebensschutz verpflichtete Rechtsprechung auf den Kopf gestellt und definieren nun den Suizid gar als Paradebeispiel der Selbstbestimmung. Das Recht auf Beihilfe gilt in allen Lebensphasen, unabhängig von Alter oder Krankheit.

«Wir bewegen uns in die Richtung einer Liberalisierung der Sterbemöglichkeiten», schreibt der im niederländischen Nijmegen lehrende Philosoph und Theologe Jean Pierre Wils in seinem 2021 erschienenen Buch «Sich den Tod geben». Die Ursachen für diese Entwicklung liegen auf der Hand: Die westlichen Gesellschaften altern deutlich, familiäre Beziehungen lösen sich auf und damit auch die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung, moderne Apparatemedizin wird hinterfragt. Die Menschen erheben einen wachsenden Anspruch auf Selbstbestimmung, die Bindungskraft von Glauben und Kirche hat markant nachgelassen. Das Argument, dass nur Gott das Leben beenden darf, geht zunehmend aus den Augen verloren.

Anfang Mai veröffentlichten die Bilaterale Kommission des Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen zum Judentum und das Oberrabbinat von Israel eine gemeinsame Erklärung zum Thema Sterbehilfe. Darin bekräftigen sie «die Grundsätze unserer jeweiligen Traditionen, dass Gott der Schöpfer und Herr allen Lebens ist und dass das menschliche Leben heilig ist, gerade weil der Mensch, wie die Bibel lehrt, nach dem Bilde Gottes geschaffen ist (vgl. Gen 1,26–27). Da das Leben eine göttliche Gabe ist, die es zu achten und zu bewahren gilt, lehnen wir zwangsläufig die Idee eines menschlichen Eigentums am Leben und das Recht irgendeiner menschlichen Partei ab, über dessen Wert oder Ausmass zu entscheiden. Daher lehnen wir das Konzept der aktiven Euthanasie (der so genannten Tötung aus Barmherzigkeit) und des ärztlich assistierten Suizids als unrechtmässige menschliche Anmassung einer ausschliesslichen göttlichen Autorität ab, den Zeitpunkt des Todes eines Menschen zu bestimmen.»

 

KKK 2277 Die direkte Euthanasie besteht darin, dass man aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln auch immer dem Leben behinderter, kranker oder sterbender Menschen ein Ende setzt. Sie ist sittlich unannehmbar.
Eine Handlung oder eine Unterlassung, die von sich aus oder der Absicht nach den Tod herbeiführt, um dem Schmerz ein Ende zu machen, ist ein Mord, ein schweres Vergehen gegen die Menschenwürde und gegen die Achtung, die man dem lebendigen Gott, dem Schöpfer, schuldet. Das Fehlurteil, dem man gutgläubig zum Opfer fallen kann, ändert die Natur dieser mörderischen Tat nicht, die stets zu verbieten und auszuschliessen ist.

KKK 2278 Die Moral verlangt keine Therapie um jeden Preis. Ausserordentliche oder zum erhofften Ergebnis in keinem Verhältnis stehende aufwendige und gefährliche medizinische Verfahren einzustellen, kann berechtigt sein. Man will dadurch den Tod nicht herbeiführen, sondern nimmt nur hin, ihn nicht verhindern zu können. Die Entscheidungen sind vom Patienten selbst zu treffen, falls er dazu fähig und imstande ist, andernfalls von den gesetzlich Bevollmächtigten, wobei stets der vernünftige Wille und die berechtigten Interessen des Patienten zu achten sind.

KKK 2279 Selbst wenn voraussichtlich der Tod unmittelbar bevorsteht, darf die Pflege, die man für gewöhnlich einem kranken Menschen schuldet, nicht abgebrochen werden. Schmerzlindernde Mittel zu verwenden, um die Leiden des Sterbenden zu erleichtern selbst auf die Gefahr hin, sein Leben abzukürzen, kann sittlich der Menschenwürde entsprechen, falls der Tod weder als Ziel noch als Mittel gewollt, sondern bloss als unvermeidbar vorausgesehen und in Kauf genommen wird.
Die Betreuung des Sterbenden ist eine vorbildliche Form selbstloser Nächstenliebe; sie soll aus diesem Grund gefördert werden.

 


KNA/Redaktion


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