Teilnehmer auf der letztjährigen Wallfahrt von Paris nach Chartres. (Bilder: zVg)

Weltkirche

«Wo sonst gibt es 15 000 Gläubige, die alle denselben beschwerlichen Weg auf sich nehmen?»

Vom 18. bis 20. Mai findet bereits zum 43. Mal die Fusswallfahrt von Paris nach Chartres statt. Während drei Tagen machen sich über 15 000 Pilger aus der ganzen Welt auf den gut 100 Kilometer langen Weg zum Marien-Wallfahrtsort Chartres.

Markus Lusser organisiert zusammen mit seinem Team die Wallfahrt für die Teilnehmer aus der Schweiz. Im Gespräch mit «swiss-cath.ch» erzählt er von der Entstehung und Tradition der Wallfahrt.

Wie kam es zu dieser Fusswallfahrt von Paris nach Chartres?
Nun, die Tradition der Wallfahrt von Unserer Lieben Frau von Paris zur Kathedrale von Chartres geht bis auf das 12. Jahrhundert zurück. Damals war die Strecke noch eine Etappe des Jakobswegs. Die Kathedrale von Chartres war und ist noch heute ein wichtiger Wallfahrtsort, beherbergt sie doch eine Reliquie des Schleiers der Jungfrau Maria.
Im Jahr 1983 wurde diese Wallfahrt als Antwort auf viele negative Entwicklungen in der Katholischen Kirche, nach dem Vorbild der polnischen Nationalwallfahrt nach Tschenstochau ins Leben gerufen. Die Wallfahrt in der Art und Weise, wie wir sie heute kennen, findet nun bereits zum 42. Mal statt und wird durch die Organisation «Notre Dame de Chrétienté» – einer Laienorganisation – sichergestellt.

Eine so grosse Wallfahrt benötigt entsprechende Vorbereitungen. Wie wird die Wallfahrt organisiert?
Vor Ort ist es die Organisation «Notre Dame de Chrétiente», welche jedes Jahr diese und andere Wallfahrten organisiert. Das braucht akribische Planung und viele Hundert Helferinnen und Helfer. In den Regionen bzw. den Ländern, aus denen die Pilger anreisen, ist die Organisation unterschiedlich gelöst. Wir in der Schweiz haben vor Jahren einen Verein gegründet, der diese Organisation für unsere rund 170 Schweizer Pilgerinnen und Pilger übernimmt. Zudem organisieren wir am Bettag jeweils auch eine Landeswallfahrt in der Schweiz.

Es nehmen rund 15 000 Menschen an der Wallfahrt teil. Neben dem gemeinsamen Singen und Beten werden auch Vorträge angeboten. Wie muss man sich das vorstellen?
Es werden dieses Jahr sogar mehr als 15 000 Pilger erwartet. Vermutlich so viele wie noch nie. Alle Pilger werden nach ihrer Herkunft zuerst in Regionen – das sind primär einmal die Regionen Frankreichs – eingeteilt. Früher gab es einfach eine Region «ÉTRANGER» also Ausländer …. Heute gibt es bereits drei unterschiedliche Regionen, da der Ansturm so gross ist. In diesen Regionen wiederum gibt es Marschgruppen, sogenannte «Chapitres». Jedes «Chapitre» hat einen Leiter, der sich im Vorfeld vorbereitet und während der Wallfahrt für die Gruppe verantwortlich ist. Das heisst: vorsingen, beten, Vorträge halten, aber auch mal motivieren. Bei uns deutschsprachigen ausländischen Pilgergruppen gibt es zudem etwas Spezielles: Wir haben das Glück, Priester und Seminaristen zur Seite zu haben, die zwischen den Pilgergruppen quasi pendeln und in den einzelnen Gruppen zusätzliche Vorträge halten, Beichte hören oder für seelsorgerische Gespräche zur Verfügung stehen.
Kurzum: Bei den Franzosen ist alles strikt geregelt, da diese «Chapitres» in der Regel auch Kirchgemeinden widerspiegeln. Bei den ausländischen Gruppen ist es überall anders, da wir uns beispielsweise aus der ganzen Schweiz in nur drei «Chapitres» aufteilen.

Die Webseite des Vereins «Notre-Dame de Chrétienté» nennt drei Säulen der Wallfahrt: Tradition, Christenheit und Mission. Stichwort Tradition: Die Liturgie wird in der sogenannten ausserordentlichen Form gefeiert. Warum?
Die traditionelle Messe hat ihren Fokus stark auf dem Übernatürlichen und Transzendenten, der wirklichen Gegenwart Christi in der Eucharistie, der Erhabenheit und der Grösse Gottes und der Gegenwärtigsetzung des Kreuzesopfers in der Heiligen Wandlung. Durch die Förderung der alten Messe wollten die Gründer der Wallfahrt ein klares Zeichen setzen gegen die Verweltlichung in der Gesellschaft (Stichwort: 68er-Jahre) und leider auch in Teilen der Kirche. So haben sie versucht, dieser Entwicklung durch ihr Gebet und ihr Glaubenszeugnis entgegenzuwirken. Und das ist ihnen zu Teilen auch gelungen. Vieles konnte nicht verhindert werden, aber die Wallfahrt ist stark gewachsen. Die Bewegung ist über die Jahre immer grösser geworden, und wer sich vor Ort ein Bild verschafft, der merkt schnell – es sind alles ganz normale und liebenswerte Menschen (schmunzelt).

Warum soll jemand eine solch lange Wallfahrt – immerhin 100 Kilometer – auf sich nehmen?
Da gibt es viele Gründe, und Hand aufs Herz, diese sind sicherlich bei jedem Pilger auch anders. Aber im Zentrum steht der Glaube. Jeder Pilger hat seine Anliegen, die er auf diese Wallfahrt mitnimmt, etwas, um das er bittet oder etwas, wofür er dankt.
Diese Wallfahrt ist aber auch ein Ort, um Kraft zu schöpfen, neu anzufangen und umgeben von Freunden im Glauben zu wachsen. Wo sonst gibt es 15 000 Gläubige, die alle denselben beschwerlichen Weg auf sich nehmen, gemeinsam singen, beten, aber sich auch gegenseitig unterstützen, die Liebe und den Glauben leben. Entsprechend darf auch der Aspekt der Gemeinschaft nicht unterschätzt werden.
Wir haben Pilger aus anderen Ländern, die teilweise seit Jahren mit uns Schweizern mitpilgern.

Seit wann nehmen Sie an der Wallfahrt teil? Wie sind Sie dazu gekommen?
Ich habe ehrlich gesagt den Überblick verloren, aber es waren um die 25 Mal. Ich bin als kleiner Junge mit dieser Wallfahrt gross geworden und habe seither eigentlich keine verpasst – ausser es gab Zwangspausen wie in den Jahren 2020 und 2021. In dieser Zeit haben wir nach Möglichkeiten im Inland etwas organisiert oder einen Pilgerführer mit Liedern und Gebeten erstellt und verschickt, sodass sich jeder selber über Pfingsten auf einen Bittgang begeben konnte. Wir waren früher jeweils als ganze Familie an dieser Wallfahrt dabei. Ein Kraftakt für meine Eltern, doch ich bin ihnen von Herzen dankbar.
 


Die Wallfahrt freut sich immer grösserer Beliebtheit. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Die Menschen sind auf der Suche. Darüber könnte man einen ganzen Vortrag halten. Einige Gründe habe ich schon genannt, wobei dies vielmehr für die «Wiederholungstäter» spricht. Aber die Menschen probieren heute allerlei aus. Warum also auch nicht einmal an einer solchen Wallfahrt teilnehmen und offen gesagt, wer es einmal erlebt hat, der wird wiederkommen.
Aber Hand aufs Herz. Man braucht keine gross angelegten Studien (doch es gibt sie zu Genüge), um zu erkennen, dass viele Menschen nicht glücklich sind. Dass uns etwas fehlt. Dass wir Mangel haben, und so begeben sich die Menschen auf die Suche und probieren allerlei aus. Und bei nicht wenigen ist es dann so, dass sie am Ende Ihrer Suche eigentlich erkennen, dass man nur die nächstgelegene Tür hätte öffnen sollen: die Tür zum Glauben.

Sie organisieren die Wallfahrt für die Teilnehmer aus der Schweiz. Wie viele Menschen haben Sie für die Wallfahrt angemeldet?
Wir organisieren drei Marschgruppen aus der Schweiz. Eine aus der Westschweiz und zwei aus der Deutschschweiz. Das sind total ca. 170 Pilger.

Sind es vor allem Menschen, die seit Jahren an der Wallfahrt teilnehmen, oder auch immer wieder «Neugierige»?
Wir haben beides. Wie bereits gesagt gibt es sehr viel Pilger, die immer wieder kommen. Sie setzen insbesondere infolge Alterserscheinungen aus oder während der ersten Jahre der eigenen Familiengründung – und irgendwann kommen sie dann mit ihren Familien wieder.
Aber wir haben jedes Jahr auch neue Pilgerinnen und Pilger mit dabei. Das ist mitunter auch ein Grund, weshalb wir unseren Verein gegründet haben. Denn wir machen auch etwas Werbung. Warum soll man nicht andere Menschen mit diesem wunderbaren Glaubenserlebnis, dieser Wallfahrt, bekannt machen? Wir legen Flyer in verschiedenen Kirchen auf – in Absprache natürlich – oder pflegen auch unsere Auftritte in Sozialen Medien; alles ehrenamtlich versteht sich.

Interessant ist die Möglichkeit, ein «Schutzengelpilger» zu werden.
Ja, das wird von den französischen Pilgern schon sehr stark gepflegt, bei uns könnte man da sicherlich noch mehr machen. Es geht darum, dass sich Personen, die nicht mitgehen können, sich während dieser Tage mit den Pilgernden im Gebet verbinden, aber auch ihre Anliegen mit auf diese Wallfahrt geben können. Eine wunderbare Idee.
 

Informationen zur Wallfahrt unter https://www.parischartres.info/


Rosmarie Schärer
swiss-cath.ch

E-Mail

Rosmarie Schärer studierte Theologie und Latein in Freiburg i. Ü. Nach mehreren Jahren in der Pastoral absolvierte sie eine Ausbildung zur Journalistin und arbeitete für die Schweizerische Kirchenzeitung SKZ.


Kommentare und Antworten

×

Name ist erforderlich!

Geben Sie einen gültigen Namen ein

Gültige E-Mail ist erforderlich!

Gib eine gültige E-Mail Adresse ein

Kommentar ist erforderlich!

You have reached the limit for comments!

* Diese Felder sind erforderlich.

Bemerkungen :

  • user
    Meier Pirmin 18.05.2024 um 16:34
    Für Frankreich, wo die Religion zur Privatsache erklärt wurde, siehe Macron, repräsentiert diese Wallfahrtstradition in hohem und höchstem Masse Kirche, das heisst Gemeinschaft. Für bedeutendste Pilger wie Bruder Klaus und den in Einsiedeln, Altdorf und Würenlingen verehrten französischen Pilgerbettler Labre, war es ein bewusster Entschluss zur Vereinsamung. Labre war erst nach mehrfacher Aufforderung der Pfarrköchin von Würenlingen dazu zu bewegen, im Pfarrhaus an der Seite des Seelsorgers eine Suppe zu essen. Alt Bundesrat Deiss pilgerte, allerdings nicht nur geistlich, sowohl nach Rom wie nach Canterbury allein zu Fuss, und meist kannte ihn niemand (siehe unten).

    Die Kathedrale von Chartres enthält, als Bestandteil der Pilgertradition, auch ein Heiliges Labyrinth, ein Motiv, das gerade nicht als Irrgarten zu verstehen ist, noch weniger als Irrlauf, sondern als Gegenstand von Meditation, so wie es in kleinerem Ausmass auch im vor etwa 25 Jahren erstellten Labyrinth vor der Kirche Schindellegi angestrebt ist; ein tiefsinniger Zwischenhalt für Fusswaller nach Einsiedeln, dargestellt im mittlerweile vergriffenen Buch "Landschaft der Pilger" (2005). Einsiedeln bleibt nun mal die wichtigste Pilgerstätte der Schweiz, wäre als Station des "Jakobsweg" insofern missverstanden.

    Der historisch bedeutendste Pilgerweg Frankreichs ist, entgegen der heute auch nicht nur mehr religiös gepflegten Jakobswegtradition, die Via Francigena, eigentlich der Pilgerweg der Briten nach Rom, wie von Alt Bundesrat Prof. Dr. Joseph Deiss in seinem noch erhältlichen Buch, in deutscher und französischer Version", Fusswallfahrt von Freiburgt nach Canterbury dargestellt, und zwar nicht nur dargestellt, sondern, freilich in Etappen mit zwischenzeitlicher Heimfahrt, allein zu Fuss zurückgelegt, mit Gelegenheit, auch mit ganz anderen Leuten ins Gespräch zu gelangen als in Brüssel und New York, wo er in prominenter, zuletzt sogar in prominentester Stellung die Schweiz vertrat, als Präsident der UN-Vollversammlung. Jenseits von gelegentlichem Andersmeinen lernte ich vor Jahresfrist den Staatsmann Alt BR Deiss von einer ganz anderen als gewohnten Seite kennen, als ich ihn diesbezüglich bei einer Buchvorstellung als Humanisten und sowohl christlichen als auch weltlich aufmerksamen Fusspilger kennenlernen durfte; zu seinen Erfahrungen in Frankreich gehörte auch, dass ihn, wie gesagt, niemand kannte, was pilgergeschichtlich mit der "Xeniteia", dem "ein Fremder werden", gleichzusetzen ist. Dieser Begriff, den er selbstverständlich nicht kannte, gehört gemäss den älteren Lebensbeschreibungen, "ins Elend gehen", auch zu Bruder Klaus. Dem gegenüber lassen die Pilgerwegbeschreibungen des modernen Fusswallers Deiss auch die gastronomische Seite einer Pilgerwanderung nicht aus, was pilgerhistorisch durchaus, wie die zahlreichen Pilgerherberen und Gaststätten bekunden, durchaus ein Mehrheitsverhalten war. Die mit den Erbsen in den Schuhen und die reinen Bettler ä la Benedikt Labre, den bedeutendsten Heiligen der Via Francigena, die auch durch die Schweiz führte, waren durchaus in der Minderheit. Herr Deiss hat übrigens auch den südlichen Weg der Via Francigena, dem Weg von der einstigen Katechismus-Hochburg Freiburg nach Rom, ebenfalls zu Fuss zurückgelegt. Darüber noch ein eigenes Buch geschrieben. Wir sollten nie glauben, dass wir unsere Bundesräte kennen, ausser vielleicht in den Punkten, wo wir reklamieren oder Fans sind.
    • user
      Meier Pirmin 18.05.2024 um 17:13
      Noch der korrekte, oben leicht verschriebene Buchtitel von Alt BR Joseph Deiss:
      Als Fernwanderer unterwegs. Begegnungen auf der Via Francigena. Zytglogge 2020.

      Bei diesen Begegnungen mag der Fromme das direkte Bekenntnis der Begegnung mit Gott vermissen; hier tragen Schweizer Katholiken, die in der Politik Karriere machen, das Herz nicht auf der Zunge. War auch beim einzigen Schweizer Bundesrat, der schon je aus Gewissensgründen in den Ausstand trat, Dr. Kurt Furgler, nicht der Fall. Selber kann ich mit diesem Befund leben. US-Präsident Jimmy Carter bekannte hingegen, bis über hundertmal täglich als Staatsoberhaupt der Vereinigten Staaten mit Gott zu Rate gegangen zu sein. Falls ja, hätte er nicht besser darüber geschwiegen?
  • user
    Claudio Tessari 17.05.2024 um 11:26
    Ich bin tiefst beeindruckt. Vor allem sieht man nicht nur ältere Menschen wie meistens in den Kirchen Europas, sondern auch junge Menschen. Dort wo der Glaube unverkürzt verkündet wird, die Liturgie würdig gefeiert wird (unabhängig des Messbuches) dort blüht der Glaube wieder auf. Würden die Piusbrüder ,welche auch mit etwa 7'000 Pilger die Wallfahrt in die entgegengesetzte Richtung laufen, noch zur vollen Einheit mit der Kirche zurück finden, wäre diese Wallfahrt mit fast 30'000 Pilgern sicherlich ein Bollwerk gegen die zunehmende Gottlosigkeit der Gesellschaft in Europa.